Herz und Kopf

Was dem Herzen widerstrebt, läßt der Kopf nicht ein. Arthur Schopenhauer hat hier eine Wahrheit ausgesprochen, die für das Denken und Handeln des Menschen von größter Bedeutung ist. So habe ich bei meiner  Öffentlichkeitsarbeit für den Tierschutz immer wieder die Erfahrung machen müssen, dass selbst die besten Argumente und eindringlichsten Bilder nichts helfen, wenn die Menschen sich einfach weigern, diese zur Kenntnis zu nehmen.

Was Schopenhauer hier als Herz bezeichnet, symbolisiert  das Innerste des Menschen. Im Herzen steckt der Mensch, nicht im Kopf – womit sich Schopenhauer auf das eigentliche Wesen des Menschen bezieht. Es äußert sich in seinem Charakter, in seinen Gefühlen. 

Im Gegensatz zu fast allen bedeutenden Philosophen seiner Zeit erkannte Schopenhauer, dass der Mensch weit mehr von seinen Gefühlen geleitet wird als von seinem Intellekt. Diese damals geradezu revolutionäre Erkenntnis wird heute mehr und mehr von der Wissenschaft bestätigt. Der Mensch ist nicht das durch und durch rationale Wesen, für das er sich oftmals hält, sondern Gefühle – auch wenn sie unterdrückt werden – beherrschen ihn weitgehend. Sie sind daher ein äußerst wichtiger Teil seines evolutionären Erbes.

Herz und Kopf, so Arthur Schopenhauer, bezeichnen den  ganzen Menschen. Beide unterscheiden sich aber fundamental voneinander: Bei der Erziehung läßt sich der Kopf aufhellen, die Einsicht berichtigen, nicht aber das Herz bessern. Das zeigt sich auch am oben erwähnten Beipiel, denn wer kein Herz für Tiere hat, bei dem bleiben alle Kopfargumente wirkungslos, der Kopf läßt diese einfach nicht ein.

Im Umgang mit Menschen habe ich im Laufe meines Lebens eine weitere Weisheit Schopenhauers bestätigt gefunden: Das Gedächtnis des Herzens ist intimer als das des Kopfes. Herzensangelegenheiten werden zeitlebens nicht vergessen, was hingegen nur eine Sache des Verstandes ist, oft sehr bald.
hb

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10 Gedanken zu “Herz und Kopf

  1. Achja, wie oft habe ich schon „das glaube ich nicht“ oder „das sind doch höchstens Einzelfälle“ gehört.
    Das letzte Mal las ich eine Diskussion, in der wirklich sachlich auf den Zusammenhang mit Klimawandel und Welthunger aufmerksam gemacht wurde; daraufhin folgt nur ein „ich lasse mich doch hier nicht als Kindermörder beschimpfen“. (wohlgemerkt, es fiel weder dieses noch ein ähnliches Wort).

    Viele Dinge, die meisten sogar, auf denen unser Konsum fußt, entstehen unter Voraussetzungen, die gesellschaftlich so nicht getragen werden. Anstatt aber seinen eigenen Beitrag dazu zu überdenken, verleugnen wir ihn lieber.

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  2. Das Verleugnen von Tatsachen, wenn sie störend sind, ist am bequemsten. Eine beliebte Ausrede ist auch: „Ich allein kann nichts erreichen“. So ändert sich kaum etwas. Wenn es um das Thema „Fleischessen“ geht, haben viele Leute ein schlechtes Gewissen und dann reagieren mache von ihnen ziemlich aggressiv.

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    1. Um so mehr freue ich mich, wenn ich Leuten begegne, die ein Herz für Mensch und Tier haben. Solche Begegnungen sind für mich eine Ermutigung und erhellen mein, nach manchen Enttäuschungen eingetrübtes Menschenbild.

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      1. Ja, nur dass die breite Masse es eben nicht hat, kann einen schon ziemlich frustrieren.
        Wie habe ich gestern gelesen? „Unterschätze niemals die Macht, die dumme Menschen in großen Gruppen haben.“ Passt irgendwie… :-/

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      2. Das Zitat passt sehr gut! Ich glaube nicht, dass die Politiker die Macht der „dummen Menschen in großen Gruppen“ unterschätzen. Sie wissen aber, dass die „breite Masse“ manipulierbar ist und machen davon Gebrauch. Dabei wird, wie mir scheint, das Wahlvolk von manchen Politikern mehr oder weniger nur als „Stimmvieh“ angesehen. Ja, Du hast Recht, das kann einen wirklich ziemlich frustrieren.

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  3. Was das Herz da macht weiß ich allerdings nicht. Allgemein unterteilt man eher in Kopf und Bauchentscheidungen, wobei das Bauchgefühl meist die Richtung vorgibt. Die heutige Hirnforschung hat schon lange bei Entscheidungen dem Bauchhirn die primäre Rolle zuerkannt. Es entscheidet viel eigenständiger als das Kopfhirn. Wenn also etwas gegen das Bauchgefühl verstößt, wird auch das Kopfhirn langfristig nicht damit einverstanden sein. Das Tierrecht sollte deshalb auch das Bauchgefühl der Menschen ansprechen. Erst wenn dieses positiv reagiert, gibt auch das Kopfhirn seine Blockaden auf.

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    1. Ob man es „Herz“ oder „Bauch“ nennt, wo die eigentlichen Entscheidungen fallen, halte ich nicht für so wichtig. Beide Formulierungen meinen wohl das Gleiche. Wenn es um Tierrechte geht, halte ich es – jedenfalls nach meinen Erfahrungen – für unbedingt notwendig, das „Bauchgefühl“ anzusprechen. Wer Tierrechte politisch durchsetzen will, darf sich nicht nur an Intellektuelle wenden, sondern muss auch „einfache“ Wähler erreichen, und zwar vor allem über das „Bauchgefühl“.

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      1. Da meinen wir wohl ähnliches, obwohl wir verschiedene Begriffe verwenden. Auch ich halte den Weg der intellektuellen Theorien nicht für den primär besten im Tierrecht, da nun mal das Kopfhirn nicht das Bauchhirn beherrscht, sondern eher umgekehrt. Das Kopfdenken sollte allerdings so weit entwickelt sein, dass es die natürlichen Impulse des Bauchhirnes zu deuten vermag und sie auch klug formuliert. Das Kopfhirn kommentiert viel mehr die Entscheidungen des Bauchhirnes, als selber Impulse für das Handeln zu liefern. Ein viel denkender Mensch ist auch in seinen Handlungen viel eingeschränkter, als ein weniger denkender, Hannah Arendt hat dies auch mal sehr schön formuliert.

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        “Zum Denken gehört die Gelassenheit, und vom Willen aus gesehen muß der Denkende scheinbar paradox sagen: Ich will das Nicht-Wollen; denn nur durch dieses hindurch, nur wenn wir uns des Willens entwöhnen, können wir uns auf das gesuchte Wesen des Denkens, das nicht ein Wollen ist, einlassen.” “Das denkende Ich ist alterslose, es ist der Fluch und der Segen der Denker, sofern sie nur im Denken wirklich sind, daß sie alt werden, ohne zu altern.”

        ——-Hannah Arendt—————————————————-

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  4. Ethik, und damit auch Tierethik, beruht laut Schopenhauer nicht auf verstandesmäßigen Überlegungen. Die Vernunft entscheidet jedoch über Mittel und Wege, um ethische Ziele zu verwirklichen.

    Das obige Zitat von Hannah Arendt ist aufschlussreich, denn es weist auf die Bedeutung des „Willens“ hin. Für Arthur Schopenhauer war das „Herz“ ein Symbol, ja Synonym des „Willens“. Dementsprechend stehen Schopenhauers Aussagen zum Gegensatz zwischen „Herz und Kopf“ in engem Zusammenhang mit seiner Lehre vom metaphysischen Willen. Gerade diese Lehre ist für seine Philosophie von fundamentaler Bedeutung.

    Übrigens, das im Zitat angesprochene scheinbare Paradox, nämlich das Wollen des Nicht-Wollens, wirft Fragen auf, zu denen ich Antworten in Schopenhauers Philosophie und den von Schopenhauer hoch geschätzten Upanishaden gefunden habe. Jedenfalls für mich sind diese Antworten überzeugend.

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