Durch Einsamkeit zum Glück ?

Einsamkeit ist eine Quelle des Glücks und der Gemütsruhe, schrieb Arthur Schopenhauer in seinen „Aphorismen zur Lebensweisheit“. Manche Menschen, die einsam sind, werden da Schopenhauer kaum zustimmen. Für sie ist Einsamkeit kein Glück. Im Gegenteil, sie fühlen sich unglücklich und suchen – leider oft vergeblich – Gesellschaft.

Jedoch solche ungewollte Einsamkeit hatte Schopenhauer nicht gemeint. Ihm ging es darum, dass Menschen sich ganz bewusst aus dem Trubel und der Geschäftigkeit des Alltags – zumindest vorübergehend – zur Besinnung zurückziehen, denn, so meinte er, „Geistesruhe ist nur in der Einsamkeit zu finden“. Deshalb habe, „wer sich zeitig mit der Einsamkeit befreundet, ja sie lieb gewinnt, eine Goldmine erworben. Aber keineswegs vermag dies jeder“.

Gerade diese zuletzt genannte Einschränkung zeigt, dass Schopenhauer durchaus Realist war. Die Menschen sind von ihrer natürlichen Anlage her sehr unterschiedlich und durch die biologische Evolution eigentlich mehr als Gemeinschaftswesen („Herdentiere“) geprägt. Dennoch gab es schon im Altertum immer wieder Menschen, die sich tiefere Gedanken über ihr Leben und ihre Umwelt machten. Solche Gedanken, die mehr und mehr zu einer Meditation führen können, waren am besten – vielleicht sogar überhaupt nur – in der Abgeschiedenheit, also der Einsamkeit, möglich.

Es geht hier um uralte Erfahrungen, die zum Beispiel im Buddhismus von zentraler Bedeutung sind. Nicht nur der Buddha, auch andere Weisheitslehrer, wie etwa die der altindischen Upanishaden, zogen sich zu spirituellen Übungen in die Einsamkeit zurück. Schopenhauer stand dem Buddhismus und den Lehren der Upanishaden sehr nahe, und schon deshalb ist es verständlich, dass er deren besondere Wertschätzung der Abgeschiedenheit teilte.

Um ermessen zu können, was Einsamkeit an Positivem zu bewirken vermag, sind Lebenserfahrungen notwendig: „Liebe zur Einsamkeit“, so erklärte Schopenhauer, sei „nicht als ursprünglicher Hang“ da, sondern entstehe erst „in Folge der Erfahrung und des Nachdenkens“.

Es sind ja vor allem die Nachdenklichen, die sich nicht dem Zeitgeist unterwerfen und so zum Querdenker werden. Indem sie die Oberflächlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens und das dort weithin verbreitete Anpassertum meiden, geraten sie fast zwangsläufig mehr und mehr in die Einsamkeit, denn wer gegen den Strom schwimmt, schwimmt einsam. Gerade diese Einsamen finden durch die Lebensphilosophie des Querdenkers Arthur Schopenhauer viel Beistand und Ermutigung.
H.B.

Weiteres zu > Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie,
zum > Buddhismus und zu den > Upanishaden (Philosphie des Hinduismus).

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4 Gedanken zu “Durch Einsamkeit zum Glück ?

  1. Horst Volkhammer

    Da das Erfahren von Glück nicht an eine menschliche Beziehung gebunden ist und Glück nicht ewig und dauerhaft währt wird es auch am Einsamen wirken, nur entsteht es nicht bei oder nach einem vertrauensvollen, beglückenden Gespräch zwischen vertrauten Menschen. Was nicht heißen soll, daß getraute Paare ein solches führen können, auch hier gibt es Einsamkeit.
    Bei nicht so hohen und entwickelten Ansprüchen an einen Glückszustand kann auch ein Gespräch über Belanglosigkeiten mit nicht so vertrauten Personen das “Herz erleichtern“.
    Gespräche scheinen mir unverzichtbar zu sein für das Erleben von Glück, da es reflektiert (geteilte Freude-doppelte Freude), nur kann der (unfreiwillige) Verzicht auf Vertrautheit einerseits Glück bedeuten sich nicht preisgegeben (anvertraut) zu haben. Diese Zurückhaltung ist wohl nicht gemeint mit frei gewählter Einsamkeit. Arthur Schopenhauer scheint es an Gesprächspartnern auf seinem Niveau nicht gemangelt zu haben, es ist davon auszugehen, daß er die eine oder andere These mehr oder weniger beglückend diskutiert hat.
    Selbstgespräche sind sicher keine glückliche Lösung.

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    1. Gespräche mit vertrauten Menschen können durchaus als Glück empfunden werden.
      Soweit ich Schopenhauers Lebenslauf kenne, war er wohl besonders in seinem letzten Lebensjahrzehnt nicht einsam. Ob er allerdings viele Gesprächpartner auf seinem Niveau hatte, halte ich eher für fraglich.
      Wenn er vor allem auf seinen einsamen Spaziergängen Selbstgespräche führte, könnte ihm das ein wirkliches Bedürfnis gewesen sein.

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      1. Horst Volkhammer

        Weiß man ob er in seinen Selbstgesprächen auch vernehmbar gesprochen, oder die Gedanken bewegt hat und dabei stumm war? Dieser Art bediene ich mich mangels Gelegenheit auch regelmäßig um zu Lösungen zu kommen, deshalb meine eher abwertende Bemerkung über Selbstgespräche. Unbefriedigend deshalb, weil auch hier wieder der Wille allzu leichtes Spiel hat. Außerdem mußte ich feststellen, daß die Gesprächsführung bei entsprechender Enthaltsamkeit durch mangelnde Übung leidet, man zuviel Geist für die Form anstatt für den Inhalt aufwendet.
        Sonst empfinde ich die Einsamkeit auch befreiend und hab sie deshalb wohl auch lieb gewonnen. Diesbezüglicher Zitate A. Schopenhauers enthalte ich mich hier.

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      2. Von Schopenhauer ist mir nicht bekannt, dass er sich über sich seine Selbstgespräche geäußert hat. Jedoch Zeitzeugen berichteten, dass er auf seinen Spaziergängen mit sich selbst geprochen habe.
        Selbstgespäche halte ich für lautes Nachdenken, wobei Schopenhauer vor allem das „Selberdenken“ positiv bewertet hatte. Selbstverständlich kommt es hierbei weniger auf die Form, also z. B. ob laut oder leise, als vielmehr auf den Inhalt an. Das eigentliche Problem scheint mir der „Wille“ zu sein, der das Denken und damit auch die Erkenntnis bestimmt. Ob es unter gewissen Umständen möglich ist, dass sich die Erkenntnis vom Willen löst, ist eine zentrale Frage der Schopenhauerschen Philosophie. Wenn überhaupt, ist dazu wohl Abgeschiedenheit, also Einsamkeit, eine wichtige Voraussetzung.

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