Arthur Schopenhauer beschrieb das Leben wie es ist, mit seinen Höhen und Tiefen. Aber auch mit seinen Gedanken über das Ende des Lebens, den Tod, zeigt sich Schopenhauer als wahrer Lebensphilosoph, wobei er für das uns alle „todsichere“ Ereignis durchaus trostvolle Worte fand:
„… Wie bekanntlich unser Gehen nur ein stets gehemmts Fallen ist, [so ist ] das Leben unsers Leibes nur ein fortdauernd gehemmtes Sterben, ein immer aufgeschobener Tod … Jeder Atemzug wehrt den beständig eindringenden Tod ab, mit welchem wir auf diese Weise in jeder Sekunde kämpfen … Zuletzt muß er siegen: denn ihm sind wir schon durch die Geburt anheimgefallen, und er spielt nur eine Weile mit seiner Beute, bevor er sie verschlingt.
Wir setzen indessen unser Leben mit großem Anteil und vieler Sorgfalt fort, solange als möglich, wie man eine Seifenblase so lange und so groß als möglich aufbläst, wiewohl mit der festen Gewißheit, daß sie platzen wird …
Das Leben der allermeisten ist auch nur ein steter Kampf um die Existenz selbst, mit der Gewißheit ihn zuletzt zu verlieren. Was sie aber in diesem so mühseligen Kampfe ausdauern läßt, ist nicht sowohl die Liebe zum Leben als die Furcht vor dem Tode, der jedoch unausweichbar im Hintergrunde steht und jeden Augenblick herantreten kann. –
Das Leben selbst ist ein Meer voller Klippen und Strudel, die der Mensch mit der größten Behutsamkeit und Sorgfalt vermeidet, obwohl er weiß, daß, wenn es ihm auch gelingt, mit aller Anstrengung und Kunst sich durchzuwinden, er eben dadurch mit jedem Schritt dem größten, dem totalen, dem unvermeidlichen und unheilbaren Schiffbruch näher kommt, ja gerade auf ihn zusteuert, – dem Tode, dieser ist das endliche Ziel der mühseligen Fahrt und für ihn schlimmer als alle Klippen, denen er auswich.“ (1)
Für das, was Arthur Schopenhauer hier mit hoher Sprachkunst beschrieb, fand er auch eindrucksvolle Worte der Hoffnung, die über den Tod hinausweisen:
„Für uns ist und bleibt der Tod ein Negatives – das Aufhören des Lebens, allein er muß auch eine positive Seite haben, die jedoch uns verdeckt bleibt, weil unser Intellekt durchaus unfähig ist, sie zu fassen. Daher erkennen wir wohl, was wir durch den Tod verlieren, aber nicht, was wir durch ihn gewinnen …
Wir schaudern vor dem Tode vielleicht hauptsächlich, weil er dasteht als die Finsternis, aus der wir einst hervorgetreten und in die wir nun zurück sollen. Aber ich glaube, daß wenn der Tod unsere Augen schließt, wir in einem Licht stehn, von welchem das Sonnenlicht nur der Schatten ist …
Klopfte man an die Gräber und fragte die Toten, ob sie wieder aufstehn wollten; sie würden mit den Köpfen schütteln.“ (2)
Memento mori = Bedenke, dass du sterblich bist – diese Mahnung aus dem mittelalterlichen Mönchslatein, wäre wohl auch als Überschrift dieses Beitrages angebracht gewesen, denn, so meinte Schopenhauer, „ohne Zweifel ist es das Wissen um den Tod, und neben diesem die Betrachtung des Leides und der Noth des Lebens, was den stärksten Anstoß zum philosophischen Besinnen und zu metaphysischen Auslegungen der Welt giebt“. (3)
Thomas Mann nannte Arthur Schopenhauer einen „großen Kenner und Künstler des Todes“ und fügte hinzu “ … zu dem Schönsten, man möchte sagen Tiefsten (aber sein Werk ist überall gleich tief), was er geschrieben hat, gehört das große Kapitel im zweiten Bande der Welt als Wille und Vorstellung : Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich. … ´Wer sich für das Leben interessiert`, habe ich [ Thomas Mann ] im Zauberberg gesagt, ´der interessiert sich namentlich für den Tod.` Das ist die Spur Schopenhauers, tief eingedrückt, haltbar für das ganze Leben.“ (4)
S. auch > Trotz Tod alle beisammen
> Unsterbliche Seele in Mensch und Tier ?
Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > hier .
Anmerkungen
(1) Aus: Arthur Schopenhauer , Welt und Mensch. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk von Arthur Hübscher, Stuttgart 1960, S. 166 ff.
(2) Ebd., S. 195 und 197.
(3) Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Zürich 1977 (Zürcher Ausgabe), Band III: Die Welt als Wille und Vorstellung II, Kap. 17: Ueber das metaphysische Bedürfniß des Menschen, S. 187.
(4) Thomas Mann , Schopenhauer, zit. aus: Über Arthur Schopenhauer , hrsg. von Gerd Haffmans, 3. Aufl., Zürich 1981, S. 113.