Hass und Verachtung vergiften leider allzu oft die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie sehr das Mitleid solchen negativen Gefühlen entgegenwirken, vielleicht sogar überwinden kann, brachte Arthur Schopenhauer in eindrucksvollen Worten zum Ausdruck:
„Bei jedem Menschen, mit dem man in Berührung kommt, unternehme man nicht eine objektive Abschätzung desselben nach Werth und Würde, ziehe also nicht die Schlechtigkeit seines Willens, noch die Beschränktheit seines Verstandes und die Verkehrtheit seiner Begriffe in Betrachtung; da Ersteres leicht Haß, Letzteres Verachtung gegen ihn erwecken könnte: sondern man fasse allein seine Leiden, seine Noth, seine Angst, seine Schmerzen ins Auge: — da wird man sich stets mit ihm verwandt fühlen, mit ihm sympathisiren und, statt Haß oder Verachtung, jenes Mitleid mit ihm empfinden, welches allein die [Liebe] … ist. Um keinen Haß, keine Verachtung gegen ihn aufkommen zu lassen, ist wahrlich nicht die Aufsuchung seiner angeblichen ´Würde`, sondern, umgekehrt, der Standpunkt des Mitleids der allein geeignete.“ *
So sind der Gedanke an das Leid des anderen Menschen und das damit verbundene Gefühl des Mitleids mitunter hilfreicher als manche gutgemeinte Moralpredigt – jedenfalls ist das eine Erfahrung, die ich in meinem Leben nicht selten bestätigt fand.
Auch hier zeigt sich, was Arthur Schopenhauer in seiner Preisschrift über die Grundlage der Moral hervorhob:
Gränzenloses Mitleid mit allen lebenden Wesen ist der festeste und sicherste Bürge für das sittliche Wohlverhalten.**
Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > dort.
* Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Zürich 1977 (Zürcher Ausgabe), Band IX: Parerga und Paralipomena II, Kap. 8.: Zur Ethik, § 109, S. 220 f.
** Arthur Schopenhauer , a. a. O., Band VI: Die beiden Grundprobleme der Ethik, II: Preisschrift über die Grundlage der Moral, S. 275.