Lebensweisheit : Goldene Mitte

In seinen Aphorismen zur Lebensweisheit schrieb Arthur Schopenhauer, dass das „Leben nicht eigentlich da“ sei, „um genossen, sondern um überstanden, abgethan zu werden“. * Mit solcher Lebensweisheit passt Schopenhauer überhaupt nicht in unsere heutige Spaßgesellschaft, ja er wird bei denen, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen und dabei nicht gestört werden wollen, oft auf Ablehnung stoßen.

Doch viele Menschen haben einen solchen Sonnenplatz im Leben vom Schicksal leider nicht zugeteilt erhalten. Gerade sie werden Schopenhauer verstehen und ihm, wenn ihre Lebenserfahrungen besonders leidvoll waren, wohl auch darin zustimmen, „daß das Beste, was die Welt zu bieten hat, eine schmerzlose, ruhige Existenz ist“.

Es ist nicht einfach und bedarf  mancher schmerzvoller Erfahrung, um zu erkennen, wieviel Wahrheit in Schopenhauers Worten sind: 

Es ist wirklich die größte Verkehrtheit, diesen Schauplatz des Jammers in einen Lustort verwandeln zu wollen und statt der möglichsten Schmerzlosikeit , Genüsse und Freuden sich zum Ziele zu stecken; wie doch so Viele thun. Viel weniger irrt wer, mit zu finsterm Blicke, diese Welt als eine Art Hölle ansieht, und demnach nur darauf bedacht ist, sich in derselben eine feuerfeste Stube zu verschaffen. Der Thor läuft den Genüssen des Lebens nach und sieht sich betrogen: der Weise vermeidet die Uebel.

Demenstprechend gab Schopenhauer den durchaus weisen Rat, „seine Ansprüche auf Genuß, Besitz, Rang, Ehre u. s. f. auf ein ganz Mäßiges herabzusetzen; weil gerade das Streben und Ringen  nach Glück, Glanz und Genuß es ist, was die großen Unglücksfälle herbeizieht“. Hierzu zitiert Schopenhauer eine Lebensweisheit von Horaz, die übersetzt  lautet:

Wer die goldene Mitte liebt, geht sicher,
er meidet den Schmutz des verfallenen Hauses,
er meidet genügsam das neiderweckende Schloß.

Also nicht das „neiderweckende Schloß“ ist anzustreben, sondern jene Menschen können sich glücklich schätzen, denen es gelingt, sich eine feuerfeste Stube zu schaffen und dabei im Leben stets die goldene Mitte zu halten.

H.B.

Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > hier
sowie zu Schopenhauers > Aphorismen zur Lebensweisheit .

*Alle Zitate sind aus: Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Zürich 1977 (Zürcher Ausgabe), Band VIII: Aphorismen zur Lebensweisheit , S. 443-446.