Schopenhauer : Alles nur Zufall ?

Wer auf ein langes Leben voller Ereignisse zurückblicken kann, wundert sich zuweilen, wie oft sein Leben durch einen Zufall entscheidend bestimmt wurde, ja mitunter verlief das Leben dadurch in eine ganz andere Richtung. War das alles wirklich nur Zufall? Je älter ich werde und je mehr ich über manche schicksalhafte Begebenheiten in meinem Leben nachdenke, desto bedeutsamer werden für mich die Gedanken und Einsichten, die Arthur Schopenhauer unter der Überschrift „Über die anscheinende Absicht im Schicksale des Einzelnen“ geäußert hatte. 

Für die Frage, ob alles nur Zufall sei, müssen wir von unserem Lebenslauf ausgehen. Wenn wir dabei „manche Szenen unserer Vergangenheit genau durchdenken“, dann, so meinte Schopenhauer, würde „uns alles wie in einem recht planmäßig angelegten Roman“ erscheinen.  Hierbei  könnten manche Begebenheiten in unserem Leben, besonders wenn sie häufiger vorkamen, uns allmählich zu der Ansicht, ja zur Überzeugung führen, dass unser „Lebenslauf, so verworren er auch scheinen mag, ein in sich übereinstimmendes Ganzes sei“ und dieses Ganze eine „bestimmte Tendenz“ und einen „belehrenden Sinn“ habe.

Es geschieht oft sehr Sonderbares im Leben. Dann fällt es schwer, noch an bloßen Zufall zu glauben. Zum Beispiel hatte Wilhelm von Scholz in seinem Buch „Der Zufall und das Schicksal. Die geheimen Kräfte des Unwahrscheinlichen“ eine Sammlung solcher merkwürdiger Vorkommnisse zusammengetragen: So kaufte ein Kunstfreund in München ein altes Vasenfragment. Jahre später schenkte ihm ein Freund ein in Athen gekauftes Vasenfragment. Wie sich dann herausstellte, passte die Scherbe aus Athen genau in die Bruchstelle des in München erworbenen Stückes. Scholz fragte sich nun, ob das Zufall sei oder eine „geheime Kraft“ die beiden Bruchstücke, vielleicht nach Jahrtausenden, wieder zusammengeführt habe.

Arthur Schopenhauer dachte wohl an ähnliche höchst verwunderliche Fälle, denn er schrieb dazu: „Vielleicht wird jeder, bei gehörigem Nachdenken, in seinem eigenen Lebenslaufe analoge Fälle finden können … Gar mancher aber wird hiedurch zu der Annahme getrieben werden, dass eine geheime und unerklärliche Macht alle Wendungen und Windungen unseres Lebenslaufes, und zwar sehr oft gegen unsere einstweilige Absicht, … leitet.“  Dieser Gedanke kann, wie Schopenhauer meinte, sehr trostreich sein, denn zu unserer Beruhigung sei nichts wirksamer, „als das Betrachten des Geschehenen aus dem Gesichtspunkte der Notwendigkeit, aus welchem alle Zufälle sich als Werkzeuge eines waltenden Schicksals darstellen“. 

In diesem Zusammenhang verwies Schopenhauer auf eine Redensart, die wohl jeder von uns schon gebraucht hat, wenn die Dinge ganz anders als geplant gelaufen sind: „… dann sollte es eben nicht sein!“ Vielleicht ist das nicht bloß eine Redensart, sondern Ausdruck einer instinktiv gespürten Wahrheit. Jedenfalls fand ich in meinem Leben oftmals bestätigt, was Schopenhauer durch ein Gleichnis beschrieben hatte:
Das Schicksal mischt die Karten und wir spielen.
hb

Übersicht (alphabet. in Stichworten) zu den Themen der Arthur Schopenhauer Blogs > hier

Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Lebensphilosophie > hier

 

4 Gedanken zu “Schopenhauer : Alles nur Zufall ?

  1. Nein, an reinen Zufall kann ich auch nicht glauben.
    „Zufall“ ist in meinen Augen ein Gespinst von Wissenschaftlern, die keine Erklärung für irgendetwas haben und blind sind für Dinge, die sie nicht sehen/ messen können.

    Ich verwende ja sehr gerne den Ausspruch:
    „Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“
    Das kommt dem auch sehr nahe.
    Manches, das wir als nicht gut empfinden, stellt sich am Ende doch als genau richtig heraus.
    Wie ein Plan, den wir am Anfang jedoch noch nicht überblicken.
    Von der Existenz eines Planes, des „Schicksals“, jedoch auf eine „Persönlichkeit“ dahinter zu schließen, wie z.B. den „lieben Gott“, halte ich genauso für einen Trugschluss wie die absolute Verneinung dessen.
    Aber so denken sehr viele, weil sie es anders nicht begreifen können.

    Like

    1. Dass letztlich unser Schicksal von einer Persönlichkeit – „Gott“ oder „Teufel“ genannt – gesteuert wird, glaube ich nicht, schon gar nicht an einen allmächtigen gütigen Gott, denn dazu ist viel zu viel Leid in der Welt.

      Deinen Ausspruch werde ich mir merken: Er entspricht ganz meiner und – was manche nicht für möglich halten – auch Schopenhauers Auffassung. So können auch Atheisten weit optimistischer sein als viele Gottgläubige, denen ihr „lieber“ Gott bei Ungehorsam unendliche Höllenqualen androht. Viele brauchen aber derartige religiöse Lehren, „weil sie es anders nicht begreifen können“.

      Like

  2. Tja … was Zufall, Fügung, Schicksal und all diese Dinge betrifft, darüber habe ich mir vor allen Dingen in den wenigen letzten Jahren oft so meine Gedanken gemacht. Alles in Allem, wenn ich jetzt mal so frei sein darf, ich selber kann auch nicht mehr so richtig an den Zufall an sich glauben.
    Rückblickend bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es da VIELLEICHT irgend etwas gibt, was meinen Lebenslauf insgesamt steuert und auch beeinflusst … wie auch immer. Nach all den vielen, unbeschreiblichen Ungerechtigkeiten und dem vielen, fast schon grenzenlosen Leid auf dieser Welt kann es überhaupt gar keinen Gott geben !! Jedoch glaube ich schon an gewisse Gesetzmäßigkeiten oder wie man so etwas sonst nennen mag. Nach den bisher nicht wenigen ungewöhnlichen Vorkommnissen und Schicksalsschlägen in meinem Leben ist es mir inzwischen fast unmöglich alles dem Zufall zuzuschreiben. Auch Arthur Schopenhauers Darlegung, dass hinter nicht wenigen, ungerechten und leidvollen Dingen eine gewisse „böse Absicht“ steht mag ich nicht grundsätzlich widersprechen.
    Wenn ich an dieser Stelle einmal Bezug zu meiner eigenen Privatsphäre und zu meiner Person nehmen darf … dieses so genannte Schicksal in meinem Leben zeigt immer wieder mehr oder weniger gleiche Abläufe auf. In einigen Lebensbereichen habe ich immer das sozusagen gleiche Pech, als wenn mir „ETWAS“ mit „böser Absicht“ diesbezüglich Steine in den Weg legt, in anderen Bereichen habe ich ungewöhnliches, ja sogar ausgesprochen unbeschreibliches Glück, als wenn auch hierbei „JEMAND“ die Fäden in der Hand hält, damit ich soweit im Leben klar komme und meine Existenz an sich gesichert ist, wenn Ihr versteht was ich damit meine.
    Also, über Zufall oder Nicht-Zufall lässt sich schon streiten, und ob jemand oder wer auch immer Recht hat … zumindest komisch finde ich schon viele Dinge im Leben und auf dieser Welt … vieles davon ist leide auch verdammt böse und traurig.

    Like

    1. Ja, einiges, was Zufall oder Nicht-Zufall ist, kann „leider auch verdammt böse und traurig“ sein. Jedoch manche Weichenstellungen in meinem Leben erwiesen sich später als durchaus positiv. Sie ergaben sich aus einer Verkettung von Umständen, die derart unwahrscheinlich waren, dass ich sie heute kaum als Zufall ansehen kann. Übrigens, der Arthur-Schopenhauer-Studienkreis hat in seiner Homepage einige, wie ich meine, sehr interessante Schopenhauer-Zitate zu diesem Thema veröffentlicht:
      http://www.arthur-schopenhauer-studienkreis.de/Schopenhauer-Begriffe/Zufall/zufall.html

      Like

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.