Gesinnungsethik statt Erfolgsethik

Gelegentlich wird der Spruch zitiert: Das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern gut gemeint. Dieser Spruch mag witzig und populär sein, aber ist er auch weise und tiefgründig oder nur oberflächlich? Jedenfalls steht er im Gegensatz zu Arthur Schopenhauers Gesinnungsethik.

„Allen Taten“, so meinte Schopenhauer, gäbe „allein die Gesinnung, welche zu ihnen leitet, moralische Bedeutsamkeit“. 1 Daher ist die Ethik Schopenhauers reine Gesinnungsethik. Nicht auf den Erfolg einer Tat komme es im Hinblick auf ihre moralische Wertung an, sondern nur auf die ihr zugrunde liegende Gesinnung! 2

Schopenhauer erklärte das an einem Beispiel, in welchem einem Kranken, in der Absicht ihm zu helfen, diesem anstatt einer Arznei versehentlich ein Gift verabreicht wird. 3 Bei einer bloßen Erfolgsethik wäre für die moralische Bewertung nicht die gute Absicht oder der gute Wille, sondern das Ergebnis der Tat entscheidend.

Von Erich Kästner stammt die Redewendung: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. 4 Hier kommt es offenbar allein auf das Tun an und nicht wie in Schopenhauers Gesinnungsethik auf den guten Willen, der diesem Tun vorausging. Schopenhauer hätte sich dabei auf die altindischen Weisen berufen können, denn diese kamen schon mehr als zwei Jahrtausende vor ihm zu ähnlichen Erkenntnissen.

Der Religionswissenschaftler und Indologe Helmuth von Glasenapp schrieb in seinem Standardwerk Die Philosophie der Inder:

„In der älteren Zeit wird der Erfolg einer Handlung als maßgebend für ihren ethischen Wert und für ihre karmische Vergeltung [im gegenwärtigen oder nach der Wiedergeburt im künftigen Leben] angesehen. Wer versehentlich ein Lebewesen [also auch Tiere!] tötet oder im Traum sündigt, hat dafür zu büßen, wer ohne es beabsichtigt zu haben, etwas Gutes tut, empfängt dafür seinen Lohn.

Später tritt an die Stelle dieser äußerlichen Betrachtungsweise eine tiefere und mehr philosophische: die Gesinnung, aus der heraus ein Akt gewollt und vollbracht wird, ist das allein Ausschlaggebende. Diese Auffassung bricht sich in den [von Schopenhauer überaus geschätzten] Upanishaden Bahn und findet ihren bedeutendsten Vertreter in Buddha, der geradezu verkündete, daß nur das vorbedachte Wollen (cetana) den ethischen Wert und die karmische Vergeltung einer Tat bestimme.“ 5

Damit zeigt sich auch am Beispiel der Gesinnungsethik eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen der Philosophie Arthur Schopenhauers und den philosophisch fortgeschrittenen Lehren des alten Indiens.

H.B.

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Anmerkungen
(1) Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band II: Die Welt als Wille und Vorstellung I, Zürich 1977, S. 458.
(2) Im Philosophischen Wörterbuch heißt es zu den Begriffen Gesinnung und Gesinnungsethik: „Gesinnung, die sittliche Grundhaltung des Menschen, insofern sie besonders dem Handeln (auch dem Denken) Richtung und Ziel gibt … Der Begründer einer Gesinnungsethik (im Gegensatz zur Erfolgsethik) ist Kant … Die moderne Ethik beurteilt einen Menschen nach seiner Gesinnung, nicht nach dem äußeren Erfolg seiner Taten.“ (Philosophisches Wörterbuch, begr. von Heinrich Schmidt, neu bearb. von Georgi Schischkoff, 21. Aufl., Stuttgart 1982, S. 229).
(3) Schopenhauer, a. a. O., Band VI: Die beiden Grundprobleme der Ethik, S. 140.
(4) Zit. aus: Das Große Krüger Zitaten Buch, hrsg. von J. H. Kirchberger, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1977, S. 206.
(5) Helmuth von Glasenapp, Die Philosophie der Inder, 3. Aufl., Stuttgart 1974, S. 402.