Fremde Gedanken

Fremde Gedanken können unser Leben bereichern, sie können sich aber auch – wie Arthur Schopenhauer schrieb – negativ auswirken:

„Allerdings muss das fortwährende Einströmen fremder Gedanken die eigenen hemmen und ersticken, ja, auf die Länge, die Denkkraft lähmen, wenn sie nicht den hohen Grad von Elastizität hat, welcher jenem unnatürlichen Strom zu widerstehen vermag. Daher verdirbt das unaufhörliche Lesen und Studieren geradezu den Kopf; zudem auch dadurch, dass das System unserer eigenen Gedanken und Erkenntnisse seine Ganzheit und stetigen Zusammenhang einbüßt, wenn wir diesen so oft willkürlich unterbrechen, um für einen ganz fremden Gedankengang Raum zu gewinnen. Meine Gedanken verscheuchen, um denen eines Buches Platz zu machen, käme mir vor, wie was Shakespeare an den Touristen seinerzeit tadelt, dass sie ihr eigen Land verkaufen, um Anderer ihres zu sehn …

Es ist sogar gefährlich, früher über einen Gegenstand zu lesen, als man selbst darüber nachgedacht hat. Denn da schleicht sich mit dem neuen Stoff zugleich die fremde Ansicht und Behandlung desselben in den Kopf, und zwar um so mehr, als Trägheit und Apathie anraten, sich die Mühe des Denkens zu ersparen und das fertige Gedachte anzunehmen und gelten zu lassen. Dies nistet sich jetzt ein, und fortan nehmen die Gedanken darüber, gleich den in Gräben geleiteten Bächen, stets den gewohnten Weg: einen eigenen, neuen zu finden ist dann doppelt schwer.“*

H.B.

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  • * Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Zürich 1977 (Zürcher Ausgabe), Band III: Die Welt als Wille und Vorstellung II, S. 94 (zur besseren Lesbarkeit mit Anpassung an die moderne Rechtschreibung).