Menschen und andere Tiere

Zugegeben, der Titel mag etwas provozierend sein, aber er trifft genau das Problem, nämlich den Menschen, der in seinem Hochmut daran glaubt, er sei „die Krone der Schöpfung“. Ich kam auf diesen Titel, als ich in der „Berliner Zeitung“ vom 17. Juni 2010 eine Buchbesprechung las, und zwar  unter der Überschrift „Der Mensch ist auch nur ein Tier“:

Es ging dabei um ein Buch von John Gray, das in seiner deutschen Übersetzung den aufschlussreichen Titel trägt: „Von Menschen und anderen Tieren. Abschied vom Humanismus“. Das Buch, so schrieb die Zeitung, sei ein „Frontalangriff  auf das humanistische Weltbild“. Im heutigen Humanismus würde der „Kardinalirrtum“ des Christentums, der Mensch würde anders als alle anderen Tiere sein, eine Wiederbelebung erfahren. So beruhe das Menschenbild des Humanismus auf einer Illusion. Ja, sogar der Mensch selbst „ist ein in Illusionen befangenesTier, das fortwährend versucht, dem Bild, das er von sich selbst hat, zu entfliehen“. In Wirklichkeit bleibe der homo sapiens eigentlich das, was er immer war, „der räuberische und zerstörende Mensch, ein Ausbeuter der Natur und seiner eigenen Gattung“.

Zu Recht wird am Ende dieser Buchbespechung angemerkt, dass Grays Kritik des Abendlandes und des dort vorherrschenden Menschenbildes ganz so neu nicht sei, wobei auf Arthur Schopenhauer verwiesen wird. Für Schopenhauer, auf den sich Gray oft beruft, war „das Wesentliche und Hauptsächliche im Tier und im Menschen das Selbe“. Was Mensch und Tier unterscheide,  liege „nicht im Primären, … im innern Wesen, … sondern allein im Sekundären, im Intellekt, im Grad der Erkenntniskraft“. Zu Schopenhauers Zeit war eine solche Feststellung geradezu revolutionär, denn sie stand im schärfsten Gegensatz zum herrschenden Christentum und damit zu fast zwei Jahrtausenden abendländischer Geistesgeschichte. Religion und Wissenschaft hatten alles getan, um den Menschen aus der Natur herauszuheben und ihn in seinem Größenwahn zu bestärken, dass der Mensch Alles, das Tier aber kaum mehr als ein belebtes Nichts sei.

In diesem Zusammenhang wandte sich Arthur Schopenhauer mit Empörung gegen „frömmelnde“ Zoologen, die behaupteten, es gäbe einen absoluten und radikalen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Die Ursache für die auch in der Umgangssprache zum Ausdruck kommende Diskriminierung der Tiere sei, so Schopenhauer, „jener elende Kunstgriff“, der „ohne Zweifel das Werk europäischer Pfaffenschaft (ist), die … nicht glaubt weit genug gehen zu können im Verleugnen und Lästern des ewigen Wesens, welches in allen Tieren lebt.“ Hierdurch hätten sie (die christlichen Theologen)   „den Grund gelegt zu der in Europa üblichen Härte und Grausamkeit gegen Tiere“.

Wer diese Aussagen Schopenhauers für zu radikal hält, dem empfehle ich die kleine Schrift des Kirchenkritikers Karlheinz Deschner „Für einen Bissen Fleisch. Das schwärzeste aller Verbrechen“. Deschner beginnt  ganz im Sinne Schopenhauers mit der Feststellung: „Da die Krone der Schöpfung der Mensch, die Krone des Menschen der Pfaffe ist, lässt sich von ihm für das Tier am wenigsten erhoffen.“ Hat Deschner Recht? Andererseits möchte ich auch hier ungerechte Pauschalurteile vermeiden, denn es gibt in in dieser Hinsicht durchaus auch positive Beispiele. Ich denke dabei unter anderem an die Tierschützerin und ehemalige Pfarrerin Christa Blanke. Sie ist allerdings – wohl als Konsequenz ihrer Tierliebe –  inzwischen (2000) aus der Kirche ausgetreten.

Übrigens, ich selbst bezeichne die Menschen nicht als „andere Tiere“, sondern halte mich an Schopenhauers Ausspruch  Die Tiere sind die Brüder des Menschen . Hierdurch wird, wie mir scheint, die Nähe zu den Tieren auch gefühlsmäßig deutlich. Darauf kommt es mir an, denn Mitgefühl ist, wie Arthur Schopenhauer immer wieder hervorhob, die Grundlage der Ethik, also auch für den Tierschutz. 
hb

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