Arthur Schopenhauer : Weisheit und Lebenspraxis

Weisheit, schrieb Arthur Schopenhauer, scheint mir nicht bloß theoretische, sondern auch praktische Vollkommenheit, zu bezeichnen. Ich würde sie definieren als die vollendete, richtige Erkenntnis der Dinge, im Ganzen und Allgemeinen, die den Menschen so völlig durchdrungen hat, daß sie nun auch in seinem Handeln hervortritt, indem sie sein Tun überall leitet.

Auch hier zeigt sich, wie sehr Arthur Schopenhauer ein Lebensphilosoph war, der immer wieder über das Begrifflich-Theoretische hinaus auf die Bedeutung der Anschauung und Lebenspraxis hinwies. Theoretische Erkenntnisse mögen von Wert sein, sie bleiben aber unzureichend, wenn sie nicht mit einer entsprechenden Lebenspraxis verbunden sind.

Damit im wesentlichen übereinstimmend, erklärt das „Wörterbuch der philosophischen Begriffe“:
Weisheit istdie aus der richtigen Einschätzung der Dinge und Menschen entspringende Lebenshaltung und Handlungsweise . Weisheit  ist nicht gleichbedeutend mit Wissenschaft im Sinne exakter Forschung und organisatorischer Einheit des Wissens…  Weisheit ist auch verschieden von der Klugheit, die zwar eine richtige Einschätzung der Dinge und Menschen sein kann, aber – da sie wesentlich nur am jeweils Nützlichen interessiert ist – nicht einmal zur Begründung einer Lebenshaltung ausreicht . So bestätigt  auch ein ansonsten mehr theoretisch ausgerichtes philosophisches Standardwerk den engen Zusammenhang zwischen Weisheit und Lebenspraxis.

Ein Beispiel hierfür ist Schopenhauers Mitleidsethik, die für seine Lebensphilosophie von zentraler Bedeutung ist. Sie bezieht sich – wodurch sich Schopenhauer von fast allen anderen bedeutenden Philosophen unterscheidet (!) – auch auf Tiere. Wahrer Tierschutz, bei dem Tiere nicht um der Menschen, sondern um ihrer selbst willen geschützt werden, beruht auf dem Mitleid, das nach Schopenhauer die Grundlage der Ethik ist. Tief mitempfundenes Tierleid kann sich ganz erheblich und nachhaltig auf die persönliche Lebenspraxis auswirken, ja letztlich kann  es als notwendige Konsequenz zu einer veganen Lebensweise führen, die das „alte“ Leben durch und durch verändert. Auch das gehört – jedenfalls nach meinem Verständnis – zur Weisheit im Sinne der Lebensphilosophie von Arthur Schopenhauer.

Es ist natürlich viel einfacher und bequemer, sich darauf zu beschränken, über Weisheit zu reden und, wenn es geistreich sein soll, darüber noch „kluge Worte“ von sich zu geben. Mir fällt dann dazu Schopenhauers Gleichnis ein:

Die Weisheit, welche in einem Menschen bloß theoretisch da ist, ohne praktisch zu werden, gleicht der gefüllten Rose, welche durch Farbe und Geruch, Andere ergötzt, aber abfällt, ohne Frucht angesetzt zu haben.
hb

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