Gefährliche Klugheit

Jemanden als „dumm“ zu bezeichnen, gilt als Beleidigung. Klugheit hingegen wird von vornherein wertgeschätzt, ja bewundert. Jedoch ist Vorsicht geboten, denn wie Arthur Schopenhauer in seinen Aphorismen zur Lebensweisheit schrieb:

Nicht wer grimmig, sondern wer klug dreinschaut, sieht furchtbar und gefährlich aus: – so gewiss des Menschen Gehirn eine furchtbarere Waffe ist als die Klaue des Löwen.1

Klugheit sei, wie Schopenhauer meinte, eine „für unser Glück sehr wesentliche Eigenschaft“.2 Hierbei unterschied er zwischen Klugheit und Schlauheit: Geschieht zum Beispiel die praktische Anwendung des Verstandes, welche – laut Schopenhauer – das Wesen der Klugheit ausmacht, zur „Überlistung Anderer“, dann wird sie nicht Klugheit, sondern Schlauheit genannt.3

Klugheit an und für sich ist noch keine Eigenschaft, die im ethischen Sinne Bewunderung verdient. Es kommt nämlich darauf an, wofür sie eingesetzt wird. Wird sie als Schlauheit hemmungslos zum Nachteil anderer genutzt, so kann sie für die Mitmenschen zu einer Gefahr werden. Verbindet sich die Klugheit aber mit selbstloser Hilfsbereitschaft für Mensch und Tier, so kann sie höchst segensreich wirken. Somit ist letztlich der Charakter eines Menschen entscheidend, ob dessen Klugheit eine „furchtbare Waffe“ oder eine bewundernswürdige Eigenschaft ist, die nicht nur zum eigenen, sondern auch zum Glück anderer Wesen beizutragen vermag.

H.B.

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Anmerkungen
1 Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden (Zürcher Ausgabe), Band VIII: Aphorismen zur Lebensweisheit, Zürich 1977, S. 516.
2 Ebd.
3 Arthur Schopenhauer a. a. O., Band V: Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom Grunde, S. 95.