Der Mensch – ein wildes Tier ?

Unter der Überschrift Zur Ethik schrieb Arthur Schopenhauer über den Charakter des Menschen einige bittere Worte, die, wenn auch nicht auf alle, aber leider wohl auf manche, vielleicht sogar auf viele Menschen zutreffen:

„Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustande der Bändigung und Zähmung, welcher Zivilisation heißt: daher erschrecken uns die gelegentlichen Ausbrüche seiner Natur. Aber wo und wann einmal Schloß und Kette der gesetzlichen Ordnung abfallen und Anarchie eintritt, da zeigt sich, was er ist …

Gobineau hat den Menschen das böse Tier genannt, welches die Leute übel nehmen, weil sie sich getroffen fühlen: Er hat aber recht: denn der Mensch ist das einzige Tier, welches Andern Schmerz verursacht, ohne weiteren Zweck, als eben diesen. Die andern Tiere tun es nie anders, als um ihren Hunger zu befriedigen, oder im Zorn des Kampfes. Wenn dem Tiger nachgesagt wird, er töte mehr, als er auffresse: so würgt er alles doch nur in der Absicht, es zu fressen …

Kein Tier jemals quält, bloß um zu quälen; aber dies tut der Mensch, und dies macht den teuflischen Charakter aus, der weit ärger ist, als der bloß tierische …

Darum fürchten alle Tiere instinktmäßig den Anblick, ja die Spur des Menschen. Der Instinkt trügt hier nicht: denn allein der Mensch macht Jagd auf das Wild, welches ihm weder nützt noch schadet.
Wirklich also liegt im Herzen eines Jeden ein wildes Tier, das nur auf Gelegenheit wartet, um zu toben und zu rasen, indem es Andern wehe tun und, wenn sie gar ihm den Weg versperren, sie vernichten möchte: es ist eben das, woraus alle Kampf- und Kriegslust entspringt; und eben das, welches zu bändigen und einigermaßen in Schranken zu halten die Erkenntnis … stets vollauf zu tun hat.“ *

Der letzte Satz ist, wie mir scheint, etwas zu optimistisch: Allein schon die äußerst blutigen Kriege, die seit Schopenhauers Zeit weltweit zu Tod und Vernichtung führten, zeigen, wie wenig die Erkenntnis die Menschen zu bändigen und in den Schranken zu halten vermochte. Jedenfalls die Erkenntnis, die ich aus dieser Tatsache gewonnen habe, deutet eher darauf hin, dass der Mensch, was Krieg und Aggression angeht, nichts Wesentliches dazu gelernt hat. Die Kriegstechnik ist zwar immer wirkungsvoller geworden, aber der Mensch ist geblieben, wie er schon zur Zeit des englischen Philosophen Thomas Hobbes war: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf!

Der Wolf ist ein wildes Tier, und der Mensch mag mitunter auch ein wildes Tier sein. Jedoch wie ein böses Tier kann der Mensch nicht sein, denn es gibt zwar gefährliche, aber keine „bösen“ Tiere!

H.B.

Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > hier.

Anmerkung
* Aus: Arthur Schopenhauer, Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band IX: Parerga und Paralipomena II, Kap. 8: Zur Ethik, S. 230 ff.

Die Upanishaden – Quelle altindischer Weisheit

Die Upanishaden waren nicht nur die Quelle der Weisheit im alten Indien, sondern auch die der Philosophie Schopenhauers. Ohne die Upanishaden, so schrieb Arthur Schopenhauer, wäre seine Lehre nicht entstanden. Er erwähnte in diesem Zusammenhang zwar auch Kant und Platon, die Upanishaden aber standen für ihn an erster Stelle. 1

Die altindischen Upanishaden sind auch heute noch die Grundlage der Philosophie des Hinduismus. Sie sind – laut dem Religionswissenschaftler und Indologen Helmuth von Glasenapp – Schriften „mystischen Inhalts, welche höhere Erkenntnisse über Gott, Welt und Seele überliefern“. 2 Die ältesten von ihnen entstanden vermutlich zwischen 1000 und 500 v. Chr., also noch vor der Zeit des Buddha.

Somit vollzog sich etwa während dieser Zeit der Übergang von der Magie zur Philosophie. Das bisher allein vorherrschende Opferwesen mit Zauberriten und Zaubersprüchen wurde mehr und mehr abgelöst von der Suche nach der Wahrheit. Es trat, so meinte v. Glasenapp, „immer deutlicher das Bestreben hervor, durch die Hüllen der Ritualwissenschaft hindurch zu philosophischen Erkenntnissen vorzudringen.

In oft noch recht schwerfälliger und unbeholfener Weise wird der Versuch gewagt, das Jenseitige, das hinter der Welt ist, zu erforschen. Dann erscheint alle Opferweisheit als eine niedere, vorbereitende Wissenschaft; die höhere Erkenntnis, um derentwillen Könige den Weisen Tausende von Rindern schenken, um derentwillen Hausväter ihren Besitz aufgeben und in den Wald hinausgehen, ist das Wissen um das, was den Kern alles Daseins ausmacht, um das Brahma [Weltseele] oder den Atman [Einzelseele].

Noch weiß die Sprache nicht diesen höchsten Begriff in voller Abstraktheit zu fassen, noch vermag das Denken nicht zwischen Geist und Materie einen scharfen Trennungsstrich zu ziehen, aber doch leuchtet schon überall die erhabene Größe des Alleinheitsgedanken hervor.

In Gleichnissen wie dem vom Tonklumpen, durch den alles Tönerne begriffen wird, weil es eine Umformung von Ton darstellt, oder von dem gespaltenen Kern des Feigenbaums, in dem die unsichtbare feine Substanz das alldurchdringende, alles durchwebende Ens realissimum [das allerrealste Wesen, der Inbegriff der Realität] darstellt, wird das Geheimnis gelehrt, das in den ´großen Worten` gipfelt, Ich bin das Brahma, und das bist du (tat tvam asi). 3 In vollem Bewußtsein der Undefinierbarkeit des Ewigen wird von ihm ausgesagt, daß Worte es nicht zur erklären vermögen (neti, neti) und daß keinerlei irdische Bestimmungen auf es Anwendung finden …

Es war nicht bloßer, kühler Wissensdrang, der sie [die Wahrheitssucher der Upanishaden] veranlaßte, nach dem zu fragen, was allem zugrunde liegt, sondern sie verfolgten zugleich ein praktisches Ziel. Dieses Ziel aber war gegeben durch die neue Wertung des irdischen Daseins und die neuen eschatologischen [auf die letzten Dinge gerichteten] Anschauungen, die in dieser Zeit hervortraten.

Dem grübelnden Denker hatte sich die bange Frage was ist nach dem Tode, welche die lebensfreudigen Dichter der Hymnenzeit [also vor den Upanishaden] nur selten gestellt, mit immer wuchtigerer Gewalt aufgedrängt. In der Brihadaranyaka-Upanishad (3,2.13) gab Yajnavalkya, die erhabenste Sehergestalt, die uns in den Upanishaden entgegentritt, eine Antwort, die für die ganze Folgezeit den Ausschlag gab: Gut wird einer durch gutes Werk, böse durch böses, und in dem selben Text (6,2,15) und Chandogya-Upanishad (5,10) wird dann die große Lehre von der Wiedergeburt auseinandergesetzt …“ 2

Schopenhauer war von den Upanishaden tief beeindruckt. Dementsprechend bezog er sie in seine Philosophie ein. Hierbei wies er darauf hin, dass die in den Upanishaden enthaltene (oben erwähnte) „große Wahrheit“ des Tat-tvam-asi, vom Volke nicht verstanden werde. Deshalb könne sie von diesem nur als Mythos verkleidet aufgenommen werden, und das sei der Mythos von der Seelenwanderung: „Er lehrt, daß alle Leiden, welche man im Leben über andere Wesen verhängt, in einem folgenden Leben auf eben dieser Welt, genau durch die selben Leiden wieder abgebüßt werden müssen; welches so weit geht, daß wer nur ein Tier tötet, einst in der unendlichen Zeit auch als eben ein solches Tier geboren werden und den selben Tod erleiden wird … Als Belohnung aber verheißt er dagegen Wiedergeburt in besseren, edleren Gestalten, als Bramane [Priester], als Weiser, als Heiliger …
Nie hat ein Mythos und nie wird einer sich der so Wenigen zugänglichen, philosophischen Wahrheit enger anschließen, als diese uralte Lehre des edelsten und ältesten Volkes.“ 4

Ob diese Lehre der Upanishaden esoterisch, also nur wenigen Ausgewählten, als Tat-tvam-asi oder exoterisch und damit allgemeinverständlich als Seelenwanderung vermittelt wird, ändert nichts an der Bedeutung, die sie für Schopenhauer hatte, nämlich als die lebendige Erkenntnis der ewigen Gerechtigkeit. 4 So ist es dann verständlich, wenn die Weisheit der altindischen Upanishaden zu einer Quelle des Trostes und der Hoffnung im Leben des Philosophen Arthur Schopenhauer wurde.

H.B.

Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie sowie den Upanishaden > hier.

Anmerkungen
1 Arthur Schopenhauer, Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden, hrsg. v. Arthur Hübscher, Band. 1, München 1985, S. 422.  
Schopenhauer nannte zwar die Upanishaden noch vor Kant. Dennoch beruht seine Philosophie nicht auf den Upanishaden, sondern auf der von Kant. Er sah sich als Vollender von Kants Philosophie und war hocherfreut, dass – wie er meinte – seine Philosophie im Ergebnis mit den indischen Philosophien (Upanishaden bzw. Vedanta und Buddhismus) weitgehend übereinstimmt.    
2 Helmuth von Glasenapp, Die Literaturen Indiens, Stuttgart 1961, S. 79 ff.
3 S. hierzu auch Das Tat-tvam-asi – die Grunderkenntnis der Upanishaden > Blogbeitrag.
Auf dieser Grunderkenntnis beruht Schopenhauers Ethik, und zwar einschließlich seiner Tierethik. Sie begründet seine Aussage über die Wesensgleichheit von Mensch und Tier, „jene einfache und über allen Zweifel erhabene Wahrheit, daß die Tiere in der Hauptsache und im Wesentlichen ganz das Selbe sind, wie wir“ (> Blogbeitrag).
4 Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band II: Die Welt als Wille und Vorstellung I, Zürich 1977, S. 442 ff.
In dem von Schopenhauer oben beschriebenen Mythos der Seelenwanderung kommt auch die enge und untrennbare Verbindung von Mensch und Tier zum Ausdruck. Schon in dieser Hinsicht zeigt sich der fundamentale Unterschied zu den im Abendland vorherrschen Religionen, den Schopenhauer in seiner Philosophie mehrmals deutlich hervorgehoben hat.
S. dazu auch: Unsterbliche Seele in Mensch und Tier ?

Wesensgleichheit zwischen Mensch und Tier

120 Jahre Deutscher Tierschutzbund – aus diesem Anlass hielt der damalige deutsche Bundespräsident Johannes Rau am 30. Juni 2001 eine Rede, in welcher er auf das Verhältnis von Mensch und Tier näher einging. Hierbei wies er auf Arthur Schopenhauer hin, der „als Vater des modernen Tierschutzes gilt“. 1

Für Schopenhauer, so meinte der Bundespräsident, „unterschied sich der Mensch vom Tier nur durch den höheren Intellekt, durch die Vernunft und durch die Fähigkeit, abstrakte Begriffe zu bilden. Grundsätzlich sah Schopenhauer eine Wesensgleichheit zwischen Mensch und Tier, und diese Wesensgleichheit verpflichte den Menschen.“ 2

Der Hinweis des Bundespräsidenten auf die in Schopenhauers Philosophie ausführlich begründete Wesensgleichheit zwischen Mensch und Tier ist höchst bemerkenswert. Diese Wesensgleichheit steht im völligen Gegensatz zu der Auffassung, die im Abendland seit der Herrschaft des Christentums weithin verbreitet ist, dass Mensch die „Krone der Schöpfung“ sei.

Nach Schopenhauers Philosophie sind Mensch und Tier wie alles in der Natur Erscheinungsformen („Objektivationen“) eines metaphysischen „Willens“ und somit in ihrem innersten Wesen gleich. Schopenhauer konnte sich hierbei auch auf das Tat-twam-asi der von ihm überaus geschätzten altindischen Upanishaden berufen, denn im Tat-twam-asi „liegt der Grundgedanke der Upanishaden beschlossen: die Erkenntnis, daß jedes Einzelwesen in seinem Kern mit dem Allwesen eines ist“. 3 Auf diesem Grundgedanken beruht letztlich auch die allumfassende Ethik Arthur Schopenhauers und damit auch seiner Tierethik. 4

„Bei den Hindu und Buddhaisten“, so schrieb Schopenhauer, „gilt die Mahavakya (das große Wort) Tat-twam-asi (das bist du), welches allezeit über jedes Tier auszusprechen ist, um uns die Identität des innern Wesens in ihm und uns gegenwärtig zu erhalten, zur Richtschnur unsers Tun.“ 5

Ganz in diesem Sinne erklärte der buddhistische Lama Anagarika Govinda, der über Schopenhauer zum Buddhismus kam, die Weisheit von der Wesensgleichheit:

„Indem wir unsere eigene Natur … erkennen, realisieren wir, daß sie sich nicht unterscheidet von der innersten Natur aller anderen lebendigen Wesen. Dies ist die „Weisheit der Wesensgleichheit„, durch die wir uns von der kühlen und unbeeinflußten Haltung eines Beobachters dem warmen menschlichen Gefühl allumfassender Liebe und Mitempfindens für alles, was lebt, zuwenden.“ 6

Wenn der Bundespräsident, wie eingangs zitiert, meinte, die „Wesensgleichheit verpflichte den Menschen“, so ist der Mensch dieser Verpflichtung bisher kaum, ja eigentlich überhaupt nicht nachgekommen, denn auch heute noch – nach fast 150 Jahre Deutscher Tierschutzbund – sind Tiere völlig rechtlos. Nach wie vor gilt Arthur Schopenhauers Wort:

„Erst, wenn jene einfache und über allen Zweifel erhabene Wahrheit, daß die Tiere in der Hauptsache und im Wesentlichen ganz das Selbe sind, wie wir, in´s Volk gedrungen sein wird, werden die Tiere nicht mehr als rechtlose Wesen dastehn.“ 7

H.B.

Weiteres zu > Schopenhauer und den > Upanishaden .

Anmerkungen
(1) Website des Bundespräsidenten > Webarchiv.
(2) Ebd.
(3) Helmuth von Glasenapp, Die Religionen Indiens, Stuttgart 1943, S. 113.
(4) „Die Leser meiner Ethik wissen“, schrieb Arthur Schopenhauer, „daß bei mir das Fundament der Moral zuletzt auf jener Wahrheit beruht, welche im Veda und Vedanta ihren Ausdruck hat an der stehend gewordenen mystischen Formel Tat twam asi (dies bist du), welche mit Hindeutung auf jedes Lebende, sei es Mensch oder Tier, ausgesprochen wird und dann die Mahavakya, das große Wort, heißt“. (Arthur Schopenhauer´s sämmtliche Werke , hrsg. von Julius Frauenstädt, 2. Aufl., Band 6: Parerga und Paralipomena II, Kap. VIII. Zur Ethik, Leipzig 1919, S. 234.)
(5) Schopenhauers Werke, a. a. O., Kap. XV. Ueber Religion, S. 399 f.
(6) Lama Anagarika Govinda, Schöpferische Meditation und Multidimensionales Bewusstsein, 2. Aufl., Freiburg i. B. 1982, S. 72 f.
(7) Schopenhauers Werke, a. a. O., S. 403.


Atma – Schopenhauers Pudel

Wer nie einen Hund gehalten hat,
weiß nicht was lieben und geliebt seyn ist. 1

Für Arthur Schopenhauer, der dieses Zitat aus dem Spanischen übersetzte, war das keine Übertreibung, denn er fand darin seine eigenen Erfahrungen während vieler Jahre bestätigt.

Schon in der Studentenzeit gehörte ein Pudel zu Schopenhauers Leben. So berichtete der Schopenhauer-Biograf Wilhelm von Gwinner, der den Philosophen noch persönlich kannte: „Mit Platon und Kants Werken, mit Sokrates Büste und Goethes Porträt, zogen damals bereits der Pudel und dessen Lager in die Studierstube ein.“ 2

Unter den Hunden, mit denen Schopenhauer sein weiteres Philosophenleben teilte, waren auch ein weißer und dann ein brauner Pudel. Beide nannte er Atma, was durchaus eine tiefere Bedeutung hatte und eng mit seiner den altindischen Upanishaden sehr nahe stehenden Philosophie zusammenhing: Atman, die individuelle Seele jedes Lebewesens, und Brahman, die Weltseele, sind laut Schopenhauer und den Upanishaden in ihrem tiefsten Wesenskern identisch.

Heinrich Hasse, Philosoph und Schopenhauer-Forscher, schrieb in seiner vorzüglichen Darstellung von Schopenhauers Leben und Werk zu den Lebensverhältnissen Schopenhauers und seines Pudels:

„Das Arbeitszimmer des Philosophen, in seiner Einrichtung von größter Anspruchslosigkeit, verrät schon äußerlich die charakteristische Gemeinschaft wissenschaftlicher, künstlerischer und ethisch-religiöser Wesenszüge seines Inhabers. Bildnisse von Descartes, Kant, Goethe und Shakespeare liefern seinen Schmuck, zu dem außer Kants Büste in den letzten Lebensjahren Schopenhauers eine vergoldete Statuette Buddhas kommt, die auf einer Marmorkonsole thront.

Sinnbildliche Bedeutung hat auch die Gesellschaft seines beständigen Lebensgenossen, des Pudels, der neben seinem profanen Namen den Titel Atma (d. h. etwa „Selbst“) führt. In dieser Wahl bekundet sich praktisch Schopenhauers dem jüdisch-christlichen Dogma entgegengesetzte Auffassung, welche in letzter Instanz zwischen Mensch und Tier keinen Wesensunterschied anerkennt, das ewige Urwesen in allem Lebenden erblickt, ja das Tier durch größere Unschuld, Ursprünglichkeit und Treuherzigkeit seines Verhaltens den Menschen übertreffen läßt.“ 3

Daher ist es wohl verständlich, wenn Arthur Schopenhauer seine Erfahrungen mit seinen „vierbeinigen Freundschaften“ und den Mitmenschen in folgendem Epigramm zum Ausdruck brachte:

Wundern darf es mich nicht,
daß Manche die Hunde verläumden:
Denn es beschämt zu oft leider

den Menschen den Hund. 4

H.B.

Weiteres
zu > Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie
sowie den > Upanishaden.

Arthur Schopenhauer mit seinem Pudel 5

Anmerkungen
(1) Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band VII: Parerga und Paralipomena I, § 12: Die Philosophie des Neueren, Zürich 1977, S. 87.
(2) Wilhelm v. Gwinner, Schopenhauers Leben, 3. Ausgabe, Leipzig 1910, S. 66.
(3) Heinrich Hasse, Schopenhauer , München 1926, S. 53.
(4) Arthur Schopenhauer , a. a. O., Band X: Parerga II, S. 716.
(5) Holzschnitt von Johann Jakob Ettling. 1888 in der Frankfurter Latern erschienen.

Schopenhauer : Wahre Ethik

Wahre Ethik fängt an, wo der Gebrauch der Worte aufhört. 1

Dieses Zitat von Albert Schweitzer wird oft gebracht, aber in der Politik zum Beispiel scheint mitunter eher das Gegenteil zu gelten, nämlich:

Tue Gutes und sprich darüber, und zwar möglichst oft und möglichst laut.

Jedoch gute Taten, die allein der politischen Karriere oder anderer persönlichen Vorteile wegen getan wurden, haben nichts zu tun mit wahrer Ethik, jedenfalls nicht im Sinne von Albert Schweitzer und Arthur Schopenhauer.

Für Schopenhauer waren, wie er in seinen Schriften oftmals hervorhob, moralische Handlungen nur solche, die aus dem Mitleid kamen. Hingegen habe jede Handlung, welche aus Rücksicht auf Lohn oder Strafe im Diesseits oder Jenseits geschieht, keinen moralischen Wert. Daher ergibt sich die höchst problematische Frage, ob Religionen wahre Ethik überhaupt besitzen können, denn sie stellen Belohnung oder Strafe in Aussicht, wenn die von ihnen verkündeten Ge- und Verbote befolgt oder nicht befolgt werden.

Schopenhauer war durchaus Realist und Menschenkenner. Er wusste, will man Menschen zu vermeintlich moralischen Handlungen veranlassen, so kann das nur geschehen, wenn man ihnen den Glauben vermittelt, dass solches Tun für sie vorteilhaft ist. Jedoch wäre das dann, genau genommen, nicht Moral, sondern Berechnung, also Egoismus.

Inwieweit egoistische oder uneigennützige Motive im Einzelfall das menschliche Handeln letztlich bestimmen, lässt sich oft schwer beurteilen. Jedoch in einem Bereich kann ziemlich sicher vermutet werden, dass Mitleid der entscheidende Beweggrund ist, nämlich im Tierschutz. Die im Abendland vorherrschenden gesellschaftlichen Normen und Religionen, wie zum Beispiel das Christentum, versprechen für den Tierschutz keine Belohnungen im Diesseits oder Jenseits. So ist es wohl vor allem das Mitleid, das Menschen dazu bewegt, Tieren zu helfen. Demnach wäre zumindest Tierethik wahre Ethik.

Sozial positive Verhaltensweisen lassen sich lernen, lehren und erforderlichenfalls auch erzwingen, nicht aber das im jeweiligen Charakter gegründete Mitleid. Dieses hat in Schopenhauers Verständnis von wahrer Ethik größte Bedeutung:

„Denn grenzenloses Mitleid mit allen lebenden Wesen ist der festeste und sicherste Bürge für das sittliche Wohlverhalten … Wer davon erfüllt ist, wird zuverlässig keinen verletzen, keinen beeinträchtigen, keinem wehe tun … und alle seine Handlungen werden das Gepräge der Gerechtigkeit und Menschenliebe tragen.“ 2

Somit beruht laut Schopenhauer wahre Ethik auf Mitleid mit Mensch und Tier. In diesem Sinne ist wohl auch Theodor Fontane zu verstehen, der im Brief vom 24. August 1893 an seine Tochter Mete schrieb:

Schopenhauer hat ganz recht: das Beste, was wir haben, ist Mitleid. 3

Immanuel Kant, der seit Platon bedeutendste Philosoph des Abendlandes und Lehrer Schopenhauers, meinte, der Mensch ist von Natur böse und übernahm diese Erkenntnis sogar als Titel in seine Abhandlung Über das radikal Böse in der menschlichen Natur. 4 Sein Schüler Arthur Schopenhauer wusste von diesem Bösen. Er wusste aber auch vom Gegenteil, denn zeugt nicht Schopenhauers Mitleidsethik von seinem Glauben an das Gute im Menschen?

Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Mitleidsethik > hier.

H.B.


Anmerkungen
1 Das Große Krüger Zitaten Buch, hrsg. von J. H. Kirchberger, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1981, S. 345.
2 Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Band VI: Die beiden Grundprobleme der Ethik / Preisschrift über die Grundlage der Moral, Zürich 1977, S. 275.
3 Zit. aus: Arthur Hübscher, Denker gegen den Strom. Schopenhauer gestern – heute – morgen, 4. Aufl., Bonn 1968, S. 297.
4 Immanuel Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Erstes Stück, III, Königsberg 1793.

Schopenhauer : Leid und Freude

Leid und Freude gehören zum Leben jedes Menschen, obgleich in sehr unterschiedlichem Maße. Arthur Schopenhauer hatte diese Lebenserfahrung so eindrucksvoll wie kaum ein anderer Philosoph in seinen Werken beschrieben. Hierbei wurde ihm – und wird auch heute noch – mitunter vorgeworfen, er hätte das Leid übermäßig hervorgehoben und dabei die Freude, die es im Leben ja auch gäbe, mehr oder weniger vergessen. So hätte er ein zu düsteres Bild des Lebens gezeichnet. Schopenhauer begegnete diesem Vorwurf mit einem Argument, das sich kaum, ja eigentlich überhaupt nicht widerlegen lässt:

„Ehe man so zuversichtlich ausspricht, dass das Leben ein wünschenswertes, oder dankenswertes Gut sei, vergleiche man ein Mal gelassen die Summe der nur irgend möglichen Freuden, welche ein Mensch in seinem Leben genießen kann, mit der Summe der nur irgend möglichen Leiden, die ihn in seinem Leben treffen können. Ich glaube, die Bilanz wird nicht schwer zu ziehen sein. Im Grunde aber ist es ganz überflüssig, zu streiten, ob des Guten oder des Übeln mehr auf der Welt sei: denn schon das bloße Dasein des Übels entscheidet die Sache; da dasselbe nie durch das daneben oder danach vorhandene Gute getilgt, mithin auch nicht ausgeglichen werden kann. … Denn, dass Tausende in Glück und Wonne gelebt hätten, höbe ja nie die Angst und Todesmarter eines Einzigen auf.“1

Um das ganze Ausmaß des Leides eines Menschen oder eines Tieres zu ermessen, dürfte ein kühles philosophisches Abwägen von Leid und Freude kaum ausreichen. Vielmehr ist hierbei die Fähigkeit zum Mitleid mit Mensch und Tier unerlässlich. Dann wird wohl auch verständlich, warum Schopenhauer die Welt als zutiefst leidvoll ansah. Er wurde schon frühzeitig durch eigenes Erleben von dieser Erkenntnis so durchdrungen, dass diese dann zu einer Grundlage seiner Philosophie wurde.

Schopenhauers Philosophie beschränkt sich jedoch nicht auf eine Beschreibung von Freude und Leid. In ihrem Kern, nämlich der Lehre von der „Bejahung und Verneinung des Willens“, enthält sie eine durchaus positive und spirituell tief gegründete Aussage.2 Hiernach hat alles Leid ein Ende, und zwar dort, wo „statt des rastlosen Dranges und Treibens, statt des steten Überganges von Wunsch zu Furcht und von Freude zu Leid … jener Friede“ ist, „der höher ist als alle Vernunft“.3 Der „Buddhaist“ Arthur Schopenhauer nannte es Nirwana.4

H.B.

Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > hier.

Anmerkungen
(1) Zitat aus: Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden,
Band IV: Die Welt als Wille und Vorstellung II, Zürich 1977, S. 674.
(2) Hierzu sei hingewiesen auf die sehr bedeutsamen Ausführungen in:
Schopenhauer, a. a. O., Werke, Band II: Die Welt als Wille und Vorstellung I,
Viertes Buch, dort besonders wichtig § 71, S. 504-508!
(3) Ebd., S. 507.
(4) Vgl. Schopenhauer, a. a. O., Band IX: Parerga und Paralipomena II, S. 350 und
Arthur Schopenhauer, Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden,
hrsg. von Arthur Hübscher, Band 4, I: Die Manuskriptbücher der Jahre 1830-1852,
München 1985, S. 230. Mehr dazu:
> Der buddhistische Weg zum Nirwana (Erlösung) und Schopenhauer.

Unsterbliche Seele in Mensch und Tier ?

Das, was  Seele genannt werde, so schrieb Arthur Schopenhauer in seinem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung sei „seit Sokrates´ Zeit und bis auf unsrige“ ein „Hauptgegenstand des unaufhörlichen Disputierens der Philosophen.“(1)

Auch Schopenhauer ging in seiner Philosophie auf die immer wieder beunruhigende Frage nach der Unsterblichkeit der Seele ein:

„Die sogenannte Seele“, so erklärte Schopenhauer in seiner Schrift Über den Willen in der Natur, „ist die Verbindung des Willens mit dem Intellekt.“(2)

Der Intellekt als bloße Gehirnfunktion des Denkens und Erkennens gehört dem Bereich des Physischen an. Er ist nur eine Erscheinungsform, eine Manifestation des Willens, der jedoch laut Schopenhauer metaphysisch und der eigentliche Kern jedes Lebewesens ist.

Durch den Tod wird nur das Physische und somit auch das Gehirn mit seiner Funktion, dem Intellekt, zerstört. Der metaphysische  Kern hingegen bleibt vom Tod unberührt.  Insofern ist die Seele, wenn man diesen Begriff auf den metaphysischen Kern, den Willen, beschränkt, unsterblich.

Bereits 1821 schrieb Schopenhauer in eines seiner Manuskripte zu der Frage, ob die Seele unsterblich ist: „In Folge meiner Lehre ist die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele dahin zu beantworten, daß das Ende der Person ebenso real ist, als ihr Anfang und wir nach dem Tode in eben dem Sinn nicht mehr sein werden, als wir vor der Geburt nicht waren. Aber die Person erschöpft nicht das Wesen, welches sich Ich nennt: sondern die Person ist bloß die Manifestation, eine Äußerung jenes Wesens, welches daher vom Anfang und Ende solcher Äußerung nicht berührt wird.“(3)

Somit manifestiert sich in jedem Menschen und in jedem Tier (!) das Unsterbliche – egal ob man es als Wille , als Seele oder  (wie in den von Schopenhauer hoch geschätzten altindischen Upanishaden) als Atman bzw. Brahman bezeichnet.

Im Abendland hingegen war es bis weit in die Neuzeit hinein wegen des herrschenden Christentums keineswegs üblich, auch den Tieren eine unsterbliche Seele zuzuerkennen. So heißt es hierzu in einem Beitrag zum Sammelwerk Mensch und Tier in der Geschichte Europas: „Zwar sprachen die meisten christlichen Theologen den Tieren nicht die Seele ab, qualifizierten sie aber als sterblich (so auch die heutige Dogmatik).“(4)

Es waren weniger die dogmatisch festgelegten Theologen als vielmehr Menschen, die  durch ihr Mitgefühl mit Tieren deren innere Nähe zu den Menschen erkannten. Selbstverständlich wäre da vor allem Arthur Schopenhauer zu erwähnen, aber auch Jakob Grimm, ein Zeitgenosse Schopenhauers, ist hierfür ein Beispiel, denn er erklärte:

„Es ist nicht bloß die äußere menschenähnlichkeit der thiere, der glanz ihrer augen, die fülle und schönheit ihrer gliedmaßen, was uns anzieht, auch die wahrnehmung ihrer mannigfaltigen triebe, kunstvermögen, begehrungen leidenschaften und schmerzen zwingt in ihrem innern ein analogon [ein Ähnliches] von seele anzuerkennen.“(5)

Selbst wenn man diese hier erörterte, im Grunde metaphysische Frage rational nicht eindeutig beantworten kann, so ist es doch eine Anmaßung zu behaupten, der Mensch hätte eine unsterbliche Seele, das Tier aber nicht. Arthur Schopenhauer war wohl der erste weltbedeutende Philosoph der Neuzeit, der sich sehr entschieden  gegen solche  anthropozentrische Überheblichkeit wandte. Für Schopenhauer war im „innern Kern“, den man im allgemeinen Sprachgebrauch als Seele bezeichnen könnte, zwischen Tier und Mensch kein Unterschied. Ausführlich und sehr tiefsinnig begründete er in seiner Philosophie, daß das „Wesentliche und Hauptsächliche im Thiere und im Menschen das Selbe“ sei. (6)

Hierbei geht es nicht bloß um Fragen von theoretischer Bedeutung, weil je nach ihrer Beantwortung die praktischen Konsequenzen durchaus erheblich sein können. Wer auch den Tieren eine unsterbliche Seele zuerkennt, hat ein anderes Verhältnis zu Tieren und wird deshalb wohl weniger geneigt sein, sie gleichsam als Sachen anzusehen und  dementsprechend zu behandeln.

Im übrigen kann der Gedanke an das Unsterbliche, und zwar unabhängig davon, ob man  hierbei an das Wort Seele denkt, sehr viel Tröstliches bieten. Offenbar hatte solchen Trost der alte Buddenbrook gesucht, als er in den letzten Stunden seines Lebens in Schopenhauers Hauptwerk das spirituell sehr tiefe und literarisch kaum zu übertreffende Kapitel Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unsers Wesens an sich las. Diesen Trost dürfte er bei Arthur Schopenhauer gefunden haben, denn Thomas Mann, Autor des Romans Buddenbrooks, schrieb in einem Essay über Schopenhauers Philosophie:

Man kann damit leben und sterben, – namentlich sterben: ich wage zu behaupten, daß die Schopenhauersche Wahrheit, daß ihre Annehmbarkeit in der letzten Stunde standzuhalten, und zwar mühelos, ohne Denkanstrengung, ohne Worte standzuhalten geeignet ist.(7)

H.B.

Weiteres
zum Thema Seele > Arthur Schopenhauer : Seelenwanderung und Wiedergeburt
und zu  Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > hier .

Anmerkungen
(1) Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Zürich 1977 (Zürcher Ausgabe), Band III, S. 316.
(2) Schopenhauer , a. a. O., Band V, S. 219.
(3) Arthur Schopenhauer , Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden, hrsg. von Arthur Hübscher, Band 3, S. 85.
(4) Peter Dinzelbacher (Hg.), Mensch und Tier in der Geschichte Europas, Stuttgart 2000, S. 268.
(5) Zit. aus: Dinzelbacher, a. a. O., S. IX.
(6) Schopenhauer , Werke, a. a. O., Band VI, S. 280.
(7) Thomas Mann , Schopenhauer , zit. aus: Über Arthur Schopenhauer, , hrsg. von Gerd Haffmans, 3. Aufl., Zürich 1981,  S. 112.

 

 

 

 

 

Hund und Mensch

Ich muss es aufrichtig gestehen, schrieb Arthur Schopenhauer in seinen letzten Manuskripten, der Anblick   j e d e s  Tieres  erfreut mich unmittelbar, und mir geht dabei das Herz auf; am meisten der der Hunde …

Mit seiner Tierliebe, vor allem aber mit seiner großen Zuneigung zu Hunden, stand Schopenhauer einsam in der Reihe der bedeutenden Denker seiner Zeit, ja wahrscheinlich ist er in dieser Hinsicht auch heute noch unter den weltberühmten Philosophen einmalig.

Kein Zweifel, Schopenhauer liebte Hunde, insbesondere dann, wenn er an die hässlichen Eigenschaften mancher Menschen dachte: Woran sollte man, fragte er, sich von der endlosen Verstellung, Falschheit und Heimtücke der Menschen erholen, wenn die Hunde nicht wären, in deren ehrliches Gesicht man ohne Misstrauen schauen kann? Dieses Menschenbild wird sicher manche Leser schockieren. Andererseits dürfte Schopenhauer auch vielen aus dem Herzen gesprochen haben, und zwar vor allem denen, die mit anderen Menschen schlechte Erfahrungen machen mussten und nur noch einen einzigen Freund haben: ihren Hund.

Auf meinen Spaziergängen treffe ich oft Hunde, die mich – besonders wenn sie mich schon kennen – mit ihrem, wie es Schopenhauer beschrieb, „so eindrucksvollen, wohlwollenden grundehrlichen Wedeln“ begrüßen. Allerdings gehe ich dabei nicht ganz so weit wie Schopenhauer, der „auf das Schwanzwedeln eines ehrlichen Hundes“ mehr gab, „als auf hundert Demonstrationen und Gebärdenseiner Mitmenschen.

Arthur Schopenhauer war jedoch weit mehr als nur normaler Hundefreund, sondern er war wohl der erste westliche Philosoph, der Hunde und auch andere Tiere zum Thema philosophischer Betrachtungen machte. Seine damit verbundenen, sehr tiefen Erkenntnisse stehen im völligen Gegensatz etwa zur Bibel, aber auch zur Meinung des ansonsten von ihm hochverehrten Philosophen Kant, für die Tiere kaum mehr als seelenlose Gebrauchsgegenstände waren. Schopenhauer hingegen sah in den Tieren etwas ganz anderes, nämlich das hinter allen äußeren Erscheinungsformen liegende Metaphysische. Voller Verwunderung, ja Ergriffenheit rief er aus: Welch ein unergründliches Mysterium liegt doch in jedem Tiere!

So war für Schopenhauer auch der Hund ein Mysterium, denn aus seinen Augen leuchtet das unzerstörbare Prinzip in ihm, der  Archäus, also die Urkraft in allem Lebendigen. Es ist bezeichnend, dass Schopenhauer sich so in seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ äußerte, und zwar in einem der  wichtigsten Kapitel: „Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unsers Wesen an sich“.

Arthur Schopenhauer und seine Hunde, die Hundebilder in seinem Zimmer, die Pudel, die ihn auf seinen einsamen Spaziergängen begleiteten – alles das sind Themen, bei denen man auch heute noch glaubt, sich über Schopenhauer lustig machen zu dürfen. Mir scheint das weniger lustig als vielmehr Ausdruck dafür zu sein, wie wenig doch manche Leute von diesem Philosophen begriffen haben. Schon der Name Atma, den Schopenhauer  seinen Hunden gab, war den meisten seiner Zeitgenossen völlig unverständlich. Gerade diese Bezeichnung weist auf den Kern der Philosophie Schopenhauers und der von ihm überaus hoch geschätzten altindischen   > Upanishaden hin: Atma, genauer Atman, bedeutet in etwa Einzelseele. Dazu fassen die Upanishaden ihre tiefste Erkenntnis in die Worte:  > Tat twam asi Das bist Du – Die Einzelseele ( Atman ) ist identisch mit der Weltseele ( Brahman )! Das gilt für den Menschen, für den Hund, ja für jedes Lebewesen. Vielleicht, meiner Meinung nach sogar sicherlich, ist das,  was Schopenhauer als „unzerstörbares Prinzip“, als „Archäus“ (Urkraft), aus den Augen eines Hundes leuchten sah, nicht verschieden von dem, was die Upanishaden als Brahman, Weltseele, bezeichnen.

Ich muss zugeben, mir selbst waren solche Aussagen früher ziemlich unverständlich. Ich fand sie schon auf Grund meiner naturwissenschaftlichen Orientierung eher als weltfremde Spinnerei. Doch eines Tages blickte mir ein Hauskaninchen, das ich zu betreuen hatte, in die Augen. Es war wie eine Offenbarung und damit der entscheidende Schritt zu einem völlig neuen Verständnis des im Grunde esoterischen Kerns der Upanishaden und der Philosophie Schopenhauers!  So hatte ich von einem Tier mehr gelernt als es aus bloßem Bücherstudium möglich gewesen wäre. Seitdem bin ich – wie Arthur Schopenhauer – von der Wesensgleichheit alles Lebendigen überzeugt. Deshalb sehe ich auch das Verhältnis von Mensch und Hund nicht unter dem Gesichtspunkt von Über- und Unterordnung, wie sie etwa in der Bezeichnung “ Herrchen“ für die „Besitzer“ von Hunden zum Ausdruck kommt. Einen Hund zu „besitzen“ ist kein Naturrecht des Menschen, sondern – dessen sind sich leider viele nicht bewusst – die Übernahme einer Sorgepflicht!
hb

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Arthur Schopenhauer : Mitleid und Mitgefühl

Mitleid – ein aktuelles Wort? Ein Freund, studierter Germanist,  sagte mir, als wir über Arthur Schopenhauers Mitleidsethik sprachen, das Wort Mitleid sei nicht mehr „in“.  Es wäre wohl daher besser, wenn ich es z. B. durch das Wort Mitgefühl ersetzen würde.  Abgesehen davon, dass Schopenhauer gerade das Wort Mitleid verwendete und dieses in den Mittelpunkt seiner Ethik stellte, halte ich das Wort Mitgefühl nicht für gleichbedeutend. So kann sich Mitgefühl nicht nur als Mitleid, sondern auch als Mitfreude äußern.

Mitleid bezieht sich eindeutiger als Mitgefühl auf das Leid, dem Menschen, Tiere und wahrscheinlich auch Pflanzen unterworfen sind. Schopenhauers Philosophie ist in ihrem Kern eine dem Buddhismus nahe stehende Erlösungslehre. Diese setzt voraus, dass die Welt als leidvoll erkannt wird. Daher ist z. B. die erste der vier Edlen Wahrheiten des Buddha,  die Wahrheit vom Leid. Hierbei ist der Zusammenhang zwischen Leid und Mitleid unmittelbar aus diesen Worten selbst erkennbar.

Es mag sein, dass in gewissen intellektuellen Kreisen dem Wort Mitleid mit Zurückhaltung, vielleicht sogar mit Ablehnung begegnet wird. Die Gründe dafür sollen  hier nicht untersucht werden, denn wichtiger scheint mir die Frage zu sein, ob Mitleid als Begriff tatsächlich nicht mehr „in“ ist.  Eine erste und somit vorläufige  Antwort auf  diese Frage geben mir detaillierte Besucherstatistiken dieses Blogs. Dabei zeigt sich ziemlich klar, dass bei den vielen Themen, die ich hier im Zusammenhang mit Schopenhauer angesprochen habe, der Begriff Mitleidsethik  auf besonderes Interesse stößt. Danach folgen, was recht aufschlussreich ist, Themen und Begriffe, die ebenfalls mit Mitleid zusammenhängen, denn sie betreffen das Verhältnis von  Mensch und Tier. Übrigens, auch in den Statistiken meiner Schopenhauer-Webseiten nehmen Themen, die sich auf Mitleid und Tierschutz beziehen, vordere Plätze ein.

Sicherlich ermöglichen meine Webstatistiken noch keine repräsentativen Aussagen. Ich habe deshalb im „Keyword-Tool“ von Google nacheinander die Begriffe  Mitleid und Mitgefühl eingegeben. Dabei ergaben sich als durchschnittliches Suchvolumen / Monat bei Mitleid:14800 (Schopenhauer und Mitleid 260) und Mitgefühl: 5400 (Schopenhauer und Mitgefühl: -) Keywords.   Ich möchte obige Statistiken nicht überbewerten, aber das Ergebnis scheint mir eindeutig zu sein:  Der Begriff Mitleid ist keineswegs „out“ und schon gar nicht im Zusammenhang mit Schopenhauer!  Ich freue mich darüber, denn es zeigt, dass Arthur Schopenhauer mit der für seine Philosophie zentralen Mitleidsethik nach wie vor aktuell ist.  Das ermutigt mich, den Arthur  – Schopenhauer –  Blog  in diesem Sinne fortzuführen.
hb

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Arthur Schopenhauer : Mensch und Tier

Wie kaum ein anderer Philosoph hat Arthur Schopenhauer dem Menschen einen Spiegel vor gehalten.  Er machte sich dadurch verständlicherweise unbeliebt.  Schopenhauer konnte das ertragen, denn es ging es ihm nicht um Gefälligkeit, sondern allein um Wahrheit und diese ist oft unangenehm.  Ein Beispiel dazu ist folgendes Schopenhauer-Zitat, von dem ich annehme, dass es in diesem Forum nicht allseitig auf begeisterte Zustimmung stoßen wird, denn der Mensch sieht sich ja selbst allzu oft als „Krone der Schöpfung“:

Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustande der Bändigung und Zähmung, welcher Zivilisation heißt: daher erschrecken uns die gelegentlichen Ausbrüche seiner Natur. Aber wo und wann einmal Schloß und Kette der gesetzlichen Ordnung abfallen und Anarchie eintritt, da zeigt sich, was er ist …

Gobineau hat den Menschen … (das recht eigentlich böse Tier)… genannt, welche die Leute übelnehmen, weil sie sich getroffen fühlen: er hat aber recht: denn der Mensch ist das einzige Tier, welches andern Schmerz verursacht, ohne weitern Zweck als eben diesen. Die andern Tiere (!!!) tun nie anders, als um ihren Hunger zu befriedigen; oder im Zorn des Kampfes … Kein Tier jemals quält, bloß um zu quälen; aber dies tut der Mensch, und dies macht den teuflischen Charakter aus, der weit ärger ist als der bloß tierische …

Darum fürchten alle Tiere instinktmäßig den Anblick, ja  die Spur des Menschen …   Der Instinkt trügt auch hier nicht: denn allein der Mensch macht Jagd auf das Wild, welches ihm weder nützt noch schadet …

An diese Worte Schopenhauers musste ich denken, wenn ich an Anti-Jagd-Demos teilnahm, denn die Jagd ist oft nichts anderes als Befriedigung einer Lust, der Lust am Töten. Beim Stierkampf kommt dann noch eine besondere Art von Grausamkeit hinzu. So kann man noch viele weitere Beispiele anführen, die beweisen, dass Schopenhauers Menschenbild durchaus nicht unrealistisch  ist. Allerdings  hat Schopenhauer auch die entgegengesetzte Seite des menschlichen Charakters gezeigt, nämlich das Mitleid. Nicht bloß die Schlechtigkeit, sondern vielmehr diese überaus positive Eigenschaft des Menschen ist ein zentrales Thema von Schopenhauers Philosophie, der Mitleidsethik, die sich selbstverständlich auch auf Tiere bezieht.
hb

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Die Tierschutzpartei aus der Sicht eines Schopenhauerianers

Schopenhauerianer, die sich in der deutschen Parteienlandschaft umschauen, stoßen auf eine Partei, nämlich die Tierschutzpartei, deren Programm von besonderem Interesse ist:

Die Tierschutzpartei sieht sich laut ihrem Grundsatzprogramm „als Teil der Tierrechtsbewegung, die den Gedanken des Tierschutzes fortentwickelt“.  Arthur Schopenhauer war wohl der erste bedeutende Philosophen der Neuzeit, der sich entschieden für den Tierschutz einsetzte. Darüber hinaus kann er als einer der geistigen Väter der heutigen Tierrechtsbewegung gelten, denn  seine Philosophie enthält eine allumfassende Mitleidsethik und die Forderung nach Gerechtigkeit auch für Tiere.

Wie im Programm der Tierschutzpartei, so verlangte auch Schopenhauer (bereits mehr als 150 Jahre vorher!), Tiere um ihrer selbst willen zu achten und zu schützen. In der Präambel ihres Parteiprogramms stellt die Tierschutzpartei fest:  „Mensch, Tier und Natur sind eine untrennbare Einheit . Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge „. Das ist ganz im Sinne der Philosophie Schopenhauers. Diese enthält eine tiefe metaphysische Begründung, dass Mensch und Tier sich zwar äußerlich unterscheiden, aber letztlich im wesentlich gleich sind. Schopenhauer stand damit im Gegensatz  nicht nur zur damals vorherrschenden Religion, sondern auch  zu den maßgebenden Philosophen seiner Zeit.

Die Philosophie Schopenhauers geht davon aus, dass hinter allen Erscheinungen dieser Welt eine metaphysische Einheit steht, die er „Wille“ nannte.  Insofern ist seine monistische Philosophie eine konsequente Ganzheitslehre.  Wenn die Tierschutzpartei im Grundsatzprogramm ihren „ganzheitlichen Ansatz“ betont, dann meint sie das sicherlich nicht mit der Schopenhauerschen Begründung, aber in den praktischen Folgerungen sehe ich da keine wesentlichen Unterschiede.

H.B.

Weiteres zum Themenkreis Tierschutzpartei – Tierrechte – Schopenhauer

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