Unter der Überschrift Zur Ethik schrieb Arthur Schopenhauer über den Charakter des Menschen einige bittere Worte, die, wenn auch nicht auf alle, aber leider wohl auf manche, vielleicht sogar auf viele Menschen zutreffen:
„Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustande der Bändigung und Zähmung, welcher Zivilisation heißt: daher erschrecken uns die gelegentlichen Ausbrüche seiner Natur. Aber wo und wann einmal Schloß und Kette der gesetzlichen Ordnung abfallen und Anarchie eintritt, da zeigt sich, was er ist …
Gobineau hat den Menschen das böse Tier genannt, welches die Leute übel nehmen, weil sie sich getroffen fühlen: Er hat aber recht: denn der Mensch ist das einzige Tier, welches Andern Schmerz verursacht, ohne weiteren Zweck, als eben diesen. Die andern Tiere tun es nie anders, als um ihren Hunger zu befriedigen, oder im Zorn des Kampfes. Wenn dem Tiger nachgesagt wird, er töte mehr, als er auffresse: so würgt er alles doch nur in der Absicht, es zu fressen …
Kein Tier jemals quält, bloß um zu quälen; aber dies tut der Mensch, und dies macht den teuflischen Charakter aus, der weit ärger ist, als der bloß tierische …
Darum fürchten alle Tiere instinktmäßig den Anblick, ja die Spur des Menschen. Der Instinkt trügt hier nicht: denn allein der Mensch macht Jagd auf das Wild, welches ihm weder nützt noch schadet.
Wirklich also liegt im Herzen eines Jeden ein wildes Tier, das nur auf Gelegenheit wartet, um zu toben und zu rasen, indem es Andern wehe tun und, wenn sie gar ihm den Weg versperren, sie vernichten möchte: es ist eben das, woraus alle Kampf- und Kriegslust entspringt; und eben das, welches zu bändigen und einigermaßen in Schranken zu halten die Erkenntnis … stets vollauf zu tun hat.“ *
Der letzte Satz ist, wie mir scheint, etwas zu optimistisch: Allein schon die äußerst blutigen Kriege, die seit Schopenhauers Zeit weltweit zu Tod und Vernichtung führten, zeigen, wie wenig die Erkenntnis die Menschen zu bändigen und in den Schranken zu halten vermochte. Jedenfalls die Erkenntnis, die ich aus dieser Tatsache gewonnen habe, deutet eher darauf hin, dass der Mensch, was Krieg und Aggression angeht, nichts Wesentliches dazu gelernt hat. Die Kriegstechnik ist zwar immer wirkungsvoller geworden, aber der Mensch ist geblieben, wie er schon zur Zeit des englischen Philosophen Thomas Hobbes war: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf!
Der Wolf ist ein wildes Tier, und der Mensch mag mitunter auch ein wildes Tier sein. Jedoch wie ein böses Tier kann der Mensch nicht sein, denn es gibt zwar gefährliche, aber keine „bösen“ Tiere!
Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > hier.
Anmerkung
* Aus: Arthur Schopenhauer, Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band IX: Parerga und Paralipomena II, Kap. 8: Zur Ethik, S. 230 ff.
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