Guter Charakter ?

Vertrauen, so meinte Arthur Schopenhauer, beruht auf der Unveränderlichkeit des Charakters, wobei „sogar die tägliche Erfahrung uns deutlich lehrt, daß jeder seinen moralischen Charakter schon fertig mit auf die Welt bringt und ihm bis ans Ende unwandelbar treu bleibt“. 1

Wenn der gute Charakter eines Menschen erwiesen ist, so kann man – gemäß Schopenhauer – darauf vertrauen, dass dieser gute Charakter auch in Zukunft erhalten bleibt und sich somit im Wesentlichen nicht negativ entwickeln wird. Dieses Vertrauen ist im Umgang und Zusammenleben mit Menschen von größter Bedeutung.

Leider haben nicht alle Menschen einen guten Charakter. Laut obigem Schopenhauer-Zitat ist das eine Tatsache, die nicht zu verändern ist. Anderseits bekannte sich Schopenhauer als „Buddhaist“ zur Lehre des Buddha. Dieser lehrte den Edlen Achtfachen Pfad, auf welchem eine positive Änderung des Charakters möglich sein soll. 2 Allerdings erfordert eine solche positive Charakterwandlung überaus viel Zeit, denn nach der buddhistischen Lehre vom Karma kann dieser Läuterungsprozess sich über sehr viele Leben erstrecken. 3

Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass der Charakter eines Menschen sich innerhalb nur eines Lebens wesentlich verändert. Demnach wäre es nicht ratsam, darauf zu vertrauen, dass kurz- oder mittelfristig aus einem schlechten ein guter Charakter werden wird. Entscheidend ist – wie oft im Leben – auch in dieser Hinsicht gute Menschenkenntnis. Dennoch sind hierbei Enttäuschungen und Irrtümer kaum zu vermeiden, denn der wahre Charakter eines Menschen offenbart sich weniger in guten als vielmehr in schlechten Zeiten, also in Stunden der Not!

H.B.

Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > hier.

Anmerkungen
1 Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band VII: Parerga und Paralipomena I, Zürich 1977, S. 141.
2 Vgl. > Schopenhauer und der Edle Achtfache Pfad des Buddha.
3 Die Lehre vom Karma (Sanskrit = Tat) bedeutet (vereinfacht erklärt): „Jede Tat, auch jedes Wort und jeder Gedanke wirkt nicht nur nach außen, auf die Außenwelt, sondern auch nach innen, auf den Täter selbst und hinterläßt in ihm eine Spur. Sie erzeugt die Neigung zur Wiederholung und ruft einen dauernden Zustand in dem Täter hervor. … Wer gut handelt, wird dadurch selbst gut, wer schlecht oder böse handelt, wird dadurch selbst schlecht oder böse. Wie nun der Mensch durch seine Taten, Worte und Gedanken im Augenblick des Todes geworden ist, so wird er … wiedergeboren“ (Kurt Schmidt, Buddhistisches Wörterbuch, Konstanz 1948, S. 48).