Mehr Schopenhauer lesen!

Zu den vielen von Arthur Schopenhauer tief beeindruckten Lesern gehörte auch Kurt Tucholsky, der in einem Brief schrieb:

„Es ist gar nicht einzusehen, warum Du nicht viel mehr Schopenhauer liesest. Was an dem System wahr ist und ob nicht … das kann ich nicht beurteilen. Aber es fällt eine solche Fülle von klugen und genialen Bemerkungen dabei ab, fast alle klassisch zu Ende formuliert, niemals langweilig, … das ganze durchblutet von einem so starken Temperament. – das solltest Du immerzu lesen. Parerga und Paralipomena und, wenn Du Dich an das Hauptwerk nicht herantraust, dann jedenfalls viele kleine Nebenwerke. Es sind auch medizinische Sachen darin, die Dich sehr interessieren werden. Der Mann hat Anatomie studiert und Psychologie vor allem – er wußte, was er schrieb.“ 1

Schopenhauer war nicht nur ein sehr tiefgründiger Philosoph, sondern – was selten ist – zugleich auch ein geradezu begnadeter Schriftsteller. So sind es „die schriftstellerischen Qualitäten Schopenhauers, die es so schwierig machen, über ihn zu schreiben, ohne ihn, der fast alles besser gesagt hat, im Wortlaut zu zitieren“. 2

Klarheit, Verständlichkeit und Schnörkellosigkeit der Schreibweise seien erste Philosophenpflicht, schrieb der Philosoph Dieter Birnbacher in seinem Schopenhauer-Buch, aus dem auch das obige Zitat stammt.

Schopenhauer hielt sich an diese „erste Philosophenpflicht“, wobei er meinte, gute Schriftsteller seien bestrebt, sich immer auf die natürlichste und einfachste Weise auszudrücken; schlechte hingegen würden ihre alltäglichen Gedanken in pomphafte Phrasen kleiden und recht dunkel schreiben, damit der Schein entstehe, der Schreiber hätte mehr Tiefe und Verstand als der Leser. 3

H.B.

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Anmerkungen
1 Brief vom 5.8.1935, zit. aus: Über Arthur Schopenhauer , hrsg. von Gerd Haffmans, 2. Aufl., Zürich 1978, S. 266 f.
2 Dieter Birnbacher, Schopenhauer, Stuttgart 2009, S. 24.
3 Schopenhauer-Register von Gustav Friedrich Wagner, neu hrsg. von Arthur Hübscher, Stuttgart-Bad Cannstatt 1960, S. 370.