Alleinsein und Einsamkeit

Alleinsein und Einsamkeit war für Arthur Schopenhauer ein großes Thema. 1 Obwohl seitdem viel Zeit vergangen ist, hat es nichts an seiner Bedeutung verloren, ja, es ist heute bedeutsamer denn je.

Schopenhauer, Buddha und andere Meister der Weisheit priesen die Einsamkeit als Quelle der Spiritualität, als Weg zur Erleuchtung. Hingegen der „normale“ Menschen, der etwa durch schlimme Schicksalsschläge einsam geworden ist, empfindet sie oft als schmerzhaft, mitunter sogar als deprimierend und krankmachend. Das ist verständlich, denn der Mensch ist von seiner Natur her ein geselliges Wesen. Er lebte schon am Beginn seiner Entwicklung aus dem Tierreich in Gemeinschaften, da er ohne diese nicht hätte überleben können.

Jedoch haben Alleinsein und Einsamkeit unterschiedliche Bedeutung:: Alleinsein ist ein objektiver Zustand, Einsamkeit dagegen ein Gefühl. Man kann allein sein und sich dennoch nicht einsam fühlen, während man sich anderseits inmitten mancher Gesellschaft durchaus als sehr einsam empfinden kann.

Auf den Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit wies auch die Psychologin Linda Maurer hin, die in einer Zeitschrift dazu schrieb:

„Alleinsein hat keinen guten Ruf. Auch, weil viele Menschen den Zustand mit Einsamkeit verwechseln …

Anders als Einsamkeit kann sich Alleinsein wunderbar anfühlen. Die Für-mich-Zeit wirkt stressreduzierend, steigert die Konzentration und die Kreativität. Sie ist für viele eine Ruhequelle. Alleinsein ist in den meisten Fällen nichts Unangenehmes oder Negatives. Fast jeder Mensch hat von Zeit zu Zeit das Bedürfnis nach Rückzug. Wer sich regelmäßig Zeit fürs Alleinsein und Reflektieren nimmt, kann besser herausfiltern, was ihm oder ihr im Leben wirklich wichtig ist …“ 2

Anders hingegen die Einsamkeit, denn diese ist, wie die Psychologin feststellt, „ein subjektives Gefühl, das von den Betroffenen als schmerzhaft und damit als negativ wahrgenommen wird.“ Ja mehr noch: „Chronische Einsamkeit kann negative Folgen für Gesundheit und Lebenserwartung haben. Das Risiko für Herz- oder Schlaganfall ist zum Beispiel erhöht. Wer sich einsam fühlt, hat zudem eine höhere Wahrscheinlichkeit, Depressionen, Angst oder Schlafstörungen zu entwickeln.“

Wie eingangs erwähnt, ist das Thema „Einsamkeit“ aktueller denn je. Nach Aussage der Psychologin sind laut Studien zwischen fünf und zehn Prozent der deutschen Bevölkerung chronisch einsam, das heißt zum Beispiel, dass die Einsamkeit schon mehr als zwei Jahre andauert. Hiervon sind besonders Menschen im Alter von über 80 Jahren betroffen, aber auch Jüngere zwischen 18 und 29 Jahren!

Das Schicksal wachsender Vereinsamung betrifft somit viele Menschen. Viele von ihnen suchen einen Ausweg. Befragungen ergaben, dass die Mehrheit der Befragten meinten, „dass vor allem soziale Beziehungen, Vertrautheit und Liebe sie glücklich machen“. Das Miteinander, so das Ergebnis der Studien, „liegt damit eindeutig vor Wohlstand, Berühmtheit oder sogar körperliche Gesundheit“! 3

Wenn Arthur Schopenhauer in seinen Schriften den spirituellen Wert der Einsamkeit hervorhob, ging es ihm dabei wohl nicht um das erzwungene, sondern um das freiwillig gewählte Alleinsein. Dann trifft zu, was ein buddhistischer Verfasser seinem Buch als Titel vorangestellt hat: : Gut ist es, allein zu sein. 4

H.B.

Weiteres zu Arthur Schopenhauer und seiner Philosophie > hier.

Anmerkungen
1 S. dazu auch > Durch Einsamkeit zum Glück? (Blogbeitrag).
2 Linda Maurer (Psychologin an der Univ. Klagenfurt), Ich bin dann mal für mich, in: tv hören und sehen, Nr. 2/2024, S. 16 ff.
3 Ebd.
4 Eckehard Saß, Gut ist es, allein zu sein – Erfahrungen mit Einsamkeit, Freiburg 1967. Ausführlich rezensiert von H.B. in: YANA, Zeitschrift für Buddhismus und religiöse Kultur auf buddhistischer Grundlage, hrsg. von der Altbuddhistischen Gemeinde, Juli/August 1987, S. 180 ff.