Zorn und Mitleid

            Zorn ist ein gefährlicher Zustand! Besonders als Jähzorn kann er sehr gefährlich sein, und zwar nicht nur für den, gegen den er sich richtet, sondern sogar für den Zornigen selbst. Jeder kann das an sich erfahren:  Im Zorn verliert man mehr und mehr die Kontrolle über sein Verhalten, so dass man sich und anderen mitunter schweren Schaden zufügt. Reue kommt dann oft zu spät und die sehr negativen Folgen sind nicht immer zu beheben.  Arthur Schopenhauer hat auch zu diesem für den Alltag durchaus bedeutsamen Thema in seiner Philosophie Stellung genommen und dabei einige Hinweise gegeben, die sich als sehr hilfreich erwiesen haben.

            Um sich abzuregen, also um den Zorn zu besänftigen, war für Schopenhauer das beste Mittel – Mitleid:

            Was für das Feuer der Regen ist für den Zorn das Mitleid. … Wenn irgend Etwas, so vermag dieses den Zorn zu dämpfen. Denn Mitleid ist das rechte Gegengift des Zorns. (1)

            Jedoch mitunter ist der Zorn so stark, dass es kaum möglich ist, Mitleid in sich hervorzurufen, jedenfalls so, dass es den Zorn überwindet. Dann kommt es darauf an, wenigstens Zeit zu gewinnen. Dazu Schopenhauer, der  in seinen „Psychologischen Bemerkungen“ den Ablauf dieses Prozesses beschrieb:

            Der Zorn schafft zugleich ein Blendwerk, welches in der normalen Vergrößerung und Verzerrung seines Anlasses besteht. Dieses Blendwerk erhöht nun selbst wieder den Zorn und wird darauf durch diesen erhöhten Zorn selbst abermals vergrößert … Diesem vorzubeugen, sollten lebhafte Personen, sobald sie anfangen sich zu ärgern, es über sich zu gewinnen suchen, daß sie die Sache für jetzt sich aus dem Sinne schlügen: denn dieselbe wird, wenn sie nach einer Stunde darauf zurückkommen, ihnen schon lange nicht so arg und bald vielleicht unbedeutend erscheinen. (2)

            Dass Schopenhauer mit dieser Beobachung Recht hat, dürfte wohl jeder schon selbst erfahren haben. Es kommt deshalb darauf an, zur rechten Zeit sich an diese Erfahrung zu erinnern. So erspart man sich Ärger und schont die Gesundheit. Auch das gehört zur Lebensphilosophie Arthur Schopenhauers.

H.B.

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Anmerkungen

(1) Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Zürich 1977
(Zürcher Ausgabe),
Band VI: Preisschrift über die Grundlage der Moral, S. 277 f.

(2) Arthur Schopenhauer , a. a. O.,
Band X: Parerga und Paralipomena II, S. 642.