Hund und Mensch

Ich muss es aufrichtig gestehen, schrieb Arthur Schopenhauer in seinen letzten Manuskripten, der Anblick   j e d e s  Tieres  erfreut mich unmittelbar, und mir geht dabei das Herz auf; am meisten der der Hunde …

Mit seiner Tierliebe, vor allem aber mit seiner großen Zuneigung zu Hunden, stand Schopenhauer einsam in der Reihe der bedeutenden Denker seiner Zeit, ja wahrscheinlich ist er in dieser Hinsicht auch heute noch unter den weltberühmten Philosophen einmalig.

Kein Zweifel, Schopenhauer liebte Hunde, insbesondere dann, wenn er an die hässlichen Eigenschaften mancher Menschen dachte: Woran sollte man, fragte er, sich von der endlosen Verstellung, Falschheit und Heimtücke der Menschen erholen, wenn die Hunde nicht wären, in deren ehrliches Gesicht man ohne Misstrauen schauen kann? Dieses Menschenbild wird sicher manche Leser schockieren. Andererseits dürfte Schopenhauer auch vielen aus dem Herzen gesprochen haben, und zwar vor allem denen, die mit anderen Menschen schlechte Erfahrungen machen mussten und nur noch einen einzigen Freund haben: ihren Hund.

Auf meinen Spaziergängen treffe ich oft Hunde, die mich – besonders wenn sie mich schon kennen – mit ihrem, wie es Schopenhauer beschrieb, „so eindrucksvollen, wohlwollenden grundehrlichen Wedeln“ begrüßen. Allerdings gehe ich dabei nicht ganz so weit wie Schopenhauer, der „auf das Schwanzwedeln eines ehrlichen Hundes“ mehr gab, „als auf hundert Demonstrationen und Gebärdenseiner Mitmenschen.

Arthur Schopenhauer war jedoch weit mehr als nur normaler Hundefreund, sondern er war wohl der erste westliche Philosoph, der Hunde und auch andere Tiere zum Thema philosophischer Betrachtungen machte. Seine damit verbundenen, sehr tiefen Erkenntnisse stehen im völligen Gegensatz etwa zur Bibel, aber auch zur Meinung des ansonsten von ihm hochverehrten Philosophen Kant, für die Tiere kaum mehr als seelenlose Gebrauchsgegenstände waren. Schopenhauer hingegen sah in den Tieren etwas ganz anderes, nämlich das hinter allen äußeren Erscheinungsformen liegende Metaphysische. Voller Verwunderung, ja Ergriffenheit rief er aus: Welch ein unergründliches Mysterium liegt doch in jedem Tiere!

So war für Schopenhauer auch der Hund ein Mysterium, denn aus seinen Augen leuchtet das unzerstörbare Prinzip in ihm, der  Archäus, also die Urkraft in allem Lebendigen. Es ist bezeichnend, dass Schopenhauer sich so in seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ äußerte, und zwar in einem der  wichtigsten Kapitel: „Ãœber den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unsers Wesen an sich“.

Arthur Schopenhauer und seine Hunde, die Hundebilder in seinem Zimmer, die Pudel, die ihn auf seinen einsamen Spaziergängen begleiteten – alles das sind Themen, bei denen man auch heute noch glaubt, sich über Schopenhauer lustig machen zu dürfen. Mir scheint das weniger lustig als vielmehr Ausdruck dafür zu sein, wie wenig doch manche Leute von diesem Philosophen begriffen haben. Schon der Name Atma, den Schopenhauer  seinen Hunden gab, war den meisten seiner Zeitgenossen völlig unverständlich. Gerade diese Bezeichnung weist auf den Kern der Philosophie Schopenhauers und der von ihm überaus hoch geschätzten altindischen   > Upanishaden hin: Atma, genauer Atman, bedeutet in etwa Einzelseele. Dazu fassen die Upanishaden ihre tiefste Erkenntnis in die Worte:  > Tat twam asi Das bist Du – Die Einzelseele ( Atman ) ist identisch mit der Weltseele ( Brahman )! Das gilt für den Menschen, für den Hund, ja für jedes Lebewesen. Vielleicht, meiner Meinung nach sogar sicherlich, ist das,  was Schopenhauer als „unzerstörbares Prinzip“, als „Archäus“ (Urkraft), aus den Augen eines Hundes leuchten sah, nicht verschieden von dem, was die Upanishaden als Brahman, Weltseele, bezeichnen.

Ich muss zugeben, mir selbst waren solche Aussagen früher ziemlich unverständlich. Ich fand sie schon auf Grund meiner naturwissenschaftlichen Orientierung eher als weltfremde Spinnerei. Doch eines Tages blickte mir ein Hauskaninchen, das ich zu betreuen hatte, in die Augen. Es war wie eine Offenbarung und damit der entscheidende Schritt zu einem völlig neuen Verständnis des im Grunde esoterischen Kerns der Upanishaden und der Philosophie Schopenhauers!  So hatte ich von einem Tier mehr gelernt als es aus bloßem Bücherstudium möglich gewesen wäre. Seitdem bin ich – wie Arthur Schopenhauer – von der Wesensgleichheit alles Lebendigen überzeugt. Deshalb sehe ich auch das Verhältnis von Mensch und Hund nicht unter dem Gesichtspunkt von Ãœber- und Unterordnung, wie sie etwa in der Bezeichnung “ Herrchen“ für die „Besitzer“ von Hunden zum Ausdruck kommt. Einen Hund zu „besitzen“ ist kein Naturrecht des Menschen, sondern – dessen sind sich leider viele nicht bewusst – die Ãœbernahme einer Sorgepflicht!
hb

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14 Gedanken zu “Hund und Mensch

  1. Je mehr du hier von Schopenhauer schreibst, desto mehr kann ich mich mit seinen Ansichten identifzieren…

    Ich finde „Atma“ ist ein wundervoller Hundename, der das Wesen eines Hundes absolut einfängt. :yes:

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    1. Ich freue mich, dass ich Dir hier Schopenhauer etwas näher bringen konnte. 😉

      Ja, „Atma“ ist ein wunderbarer Hundename. Jedoch erschliesst sich der tiefe Sinn dieses Namens wohl nur dem, der sich in das Tier einzufühlen vermag.

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  2. Lieber Herbert,
    Jetzt schaue ich auch mal bei Dir rein, ich habe lange genug damit gewartet und es hat sich gelohnt! Ich liebe Schopenhauer! Er war ein grosser Denker und ich glaube einer der ersten westlichen Philosophen, welche das oestliche Prinzip in ihre Lehre hineinnahmen! Ich lebe ganz in den oestlichen Philosophien und Religionen – Buddhismus, Hinduismus, Taoismus, aber auch Sikkhismus, und neuerdings Bahai! Tierliebe Philosophen hat es aber doch eigentlich mehr gegeben als man bis anhin angenommen hatte! Ich hab ein dickes Buch, d.h. ‚Welches Tier gehoert zu dir‘ mit Gedichten und Auszuegen aus der deutschen Philosophie, Literatur und Poesie! Ich werde immer wieder damit auf meinem blog aufwarten! Das Problem ist, dass man sich eigentlich um die tierlieben Gedanken der geistigen Groessen gar nie gekuemmert hat, aber sie wollten schon damit an uns gelangen – und nicht nur in Deutschland, sondern weltweit! Mein privates Hobby ist eigentlich das Nachspueren nach diesem Phaenomen!
    Hoffentlich koennen wir hier bald wieder so etwas interessantes lesen! Inzwischen
    liebe Gruesse
    Siraganda

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    1. Liebe Siraganda,

      ich freue mich, dass dieser Blog Dein Interesse gefunden hat. Du hast ganz ganz recht: Schopenhauer war einer der ersten westlichen Philosophen der Neuzeit, dessen Lehre zentrale Gedanken der östlichen Religionen enthält. Am Anfang des Buddhismus in Deutschland stand Schopenhauer. Was den Hinduismus betrifft, so wird bei fast allen deutschen Ausgaben der altindischen Upanishaden auf Schopenhauer hingewiesen.

      Natürlich gibt es auch andere westliche tierliebe Philosophen, aber kaum einer von ihnen wurde so bekannt wie Schopenhauer. Ich wünsche Dir beim „Nachspüren“ nach solchen Geistesgrößen und deren Gedanken viel Erfolg. Dazu auch sonst alles Gute und liebe Grüße von mir!

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  3. für jeden tierliebhaber ist sicher klar, das tiere keine seelenlosen gebrauchsgegenstände sind. schon allein die tatsache, das jedes tier genau wie jeder mensch einen unverwechselbaren charakter hat, keines ist vom wesen gleich. ich habe zwei hunde und zwei katzen, und was ich an ihnen so sehr schätze hat in unserer modernen zivilisation kaum ein mensch zu bieten, sie haben dieses feine gespühr für emotionen, bin ich traurig verstimmt, kommen sie und zeigen mir wir sind da und trösten mich regelrecht, bin ich glücklich, freuen sie sich mit mir und wenn ich krank bin, sind sie rücksichtsvoll und alles ohne worte. für mich haben tiere sowieso mehr seele als der gemeine mensch. ja, das gemein kann mann doppeldeutig sehen…
    vlg

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  4. Ich denke, dass Schopenhauer einer der wichtigsten Denker des 19. Jahrhunderts war. Seine Willens-Philosophie ist unerreicht, gerade in der heutigen Zeit das lahmen Denkens.

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  5. Fiene

    Wunderbarer und sehr einfühlsamer Beitrag. Wenn man bedenkt, daß das Tier überhaupt das erste Lebewesen (außer Pflanzen) unsere kostbare Erde bewohnte, müßte es die älteren Rechte auf humanes Dasein verdient haben und in Frieden leben dürfen.

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